18.1.09 Totalitarismus in der Tierhaltung oder wie Politiker und Bürokraten in ihrem Reglementierungswahn alte Haustierrassen zum Aussterben verurteilen

Gerade ein Lehrbeispiel dafür, wie ursprünglich gut gemeinte Gesetze über das Ziel hinausschießen und in der Hand von Bürokraten das Gegenteil bewirken, ist die Verpflichtung Wiederkäuern Plastiknummernschilder in die Ohren zu zwicken. Ursprünglich wollte man damit, nach den Tierseuchen und Fleischskandalen der jüngeren Vergangenheit, Schlachttiere zurückverfolgen können. Doch wenn Tiere zu Lebensmittel geworden sind, haben sie schon lange keine Ohren mehr und spätestens, wenn dann das Fleisch ein paarmal über Landesgrenzen verschoben wurde, kann es von überall herkommen. So wird Verbraucherschutz in Zeiten der Globalisierung und der offenen Grenzen zur reinen Augenwischerei.

Gerade aber bei artgemäß gehaltenen Weidetieren, wenn die Kitze und Kälber bei ihren Müttern aufwachsen, werden die Ohrmarken zur Tierquälerei. Kühe, Ziegen und Schafe versuchen ihrem Nachwuchs die Fremdkörper mit den Zähnen zu entfernen, das Internet ist voll von Bildern entzündeter und eitriger Ohren. Oder die Tiere bleiben mit den Marken im Gebüsch hängen und reißen sich die Ohren ein usw.

Nun ist das Markieren der Tiere bei Schafen und Ziegen relativ leicht (wenn man sie im Freien erwischt). Bei Wildrindern wird das Prozedere in der Regel oft zum Horrorerlebnis. Die Rinder müssen in tonnenschwere Fangstände gelockt werden und dann ihre Hälse mit einer Art Schandgeige fixiert werden, damit für Halter und Tierarzt keine Gefahr für Leib und Leben entsteht. Wer schon einmal gesehen hat, wie Bisons, Highlandcattles oder Wisente in Todesangst in den Folterkäfigen toben und sich auch verletzen, der weiß um die traumatische Erfahrung der Tiere. Doch das alles bleibt keine einmalige Sache, denn die Tiere müssen laufend gefangen und "behandelt werden". Nicht nur abgerissene Ohrmarken müssen immer wieder erneuert werden, jährlich werden durch die Veterinärämter Blutentnahmen vorgeschrieben oder, wie seit einem Jahr zweimalige Impfungen gegen die Blauzungenkrankheit. Ich mag gar nicht darüber richten, ob diese ganzen Untersuchungen und Impfungen bei artgerecht gehaltenen Tieren, die nicht zu degenerierten Hochleistungstieren, die oft mit Dauermedikamentierung und Kraftfutter zweifelhafter Herkunft gemästet und zu immer neuen Rekorden getrieben werden, überhaupt sinnvoll sind. Doch Zweifel sind angebracht. Ein Schelm, wer Böses dabei denkt, wenn dieses massenhafte Untersuchen, Impfen und Markieren dem einschlägigem Gewerbe Dauereinnahmen in Milliardenhöhe bringt.

Landwirte und erst recht Massentierhalter beschweren sich darüber auch nicht, sie machen halt einfach mit, denn die Drohung auf Subventionskürzung, beschworener Leistungsabfall bei erkrankten Tieren oder gar Unverkäuflichkeit nicht geimpfter Tiere für den Export, will niemand riskieren.

Für kleine Landwirte ist das Ganze eine Katastrophe, sie können sich die teueren Fangeinrichtungen nicht leisten und haben auch keine so großen Traktoren, um sie zu bewegen. So sind sie gezwungen die Tierhaltung aufzugeben, weil die Veterinärämter durch die Gesetzgeber gezwungen sind, bei Nichteinhalten der Gesetze Geldstrafen zu verhängen, die sogar bis zur Freiheitsstrafe gehen. Tierfreunde gar, die ihre Tiere aus Liebhaberei halten und nicht selten seltene Haustierrassen vom Aussterben bewahren, sind nicht bereit ihre Tiere mit Ohrmarken zu quälen. Doch sie werden genauso so vom Gesetz erfasst wie die Massentierhalter. Ziegen- und Schafhalter etwa tun sich  zunehmend schwer Böcke zum Decken zu finden, weil die Tierhaltung in den letzten Jahren rapide zurückgegangen ist. Doch auch dafür haben Brüssels Bürokraten Vorsorge getroffen: Wer heute seine Ziege zum Bock bringt, muß eine Qualifikation nachweisen, muß einen Kurs für Tiertransporte absolvieren. Eine Regelung, die getroffen wurde, um kommerzielle Tiertransporte tiergerechter zu machen, wird auch für private Tierfreunde verpflichtend. Diese können nur die Faust in der Tasche ballen und über den menschen- und tierverachtenden Totalitarismus der Bürokratie schimpfen, der immer mehr alle Lebensbereiche umfasst. Und so wird unser Leben immer reglemnetierter und unfreier und, was das Schlimmste ist: die alten Haustierrassen und damit die genetische Vielfalt, sterben immer mehr aus.