10.10.03 War die soziale Marktwirtschaft nur ein Propagandainstrument waehrend des kalten Krieges?

Der Kapitalismus zeigt - weil er keine sozialistische Konkurrenz mehr hat heute wieder offen seine menschenverachtende Fratze. Sozialabbau und Freibeuterei in allen Teile der Welt gelten heute wieder als akzeptabel und zeitgemäß. War die soziale Marktwirtschaft nur eine Propagandainstrument während des kalten Krieges?

Ich will vorausschicken, dass ich nicht zu denen gehöre, die nicht wüßten, dass ein guter Teil unseres Wohlstandes auf der ganzen Welt zusammengeramscht ist - auch wenn die zu Grunde liegende Kaufmannslogik und das Wuchersystem allgemein nicht als unanständig empfinden wird und wir auf Kosten der Armen leben und die vielen Waren durch Ausbeutung anderswo so günstig in unsere Märkte kommen. Ich weiß auch, dass wir, würden wir nur von unserer Hände Arbeit leben müssen, nicht den fünften Teil unseres Einkommens hätten. Ich habe diese Dinge immer angeprangert und bin nicht zuletzt bei Gewerkschaftlern auf taube Ohren gestossen.

Und doch will ich den gegenwärtig betriebenen Abbau sozialer Leistungen in unserem Lande anprangern, weil er uns nicht nur wieder auf mittlere Sicht in Klassenkämpfe führen wird, vielleicht sogar in eine Diktatur, und das vermutlich in keine Linke. Die arbeitende Bevölkerung fühlt sich heute als betrogen, denn die Sozialkassen wurden und werden für versicherungsfremde Leistungen in schamloser Weise von der Politik geplündert, Millionen von Leistungsempfängern, die nie eine Mark in die Kassen einbezahlt haben, erhalten heute oft höhere Leistungen, als die langjährigen Einzahler. Diese empfinden dies zurecht als Ungerechtigkeit, ja als Diebstahl. Dazu kommt, dass die Einführung des Euro als Geldentwertung empfunden wird, denn trotz aller Dementis von Statistikern und einzelnen Verbilligungen, jeder kann in seinem Geldbeutel das teurere Leben ablesen. Dann wird die EU schon lange als Monster begriffen, dass sich als bürokratischer Wasserkopf in alle Lebensbereiche reglementierend einmischt und nicht nur durch die anstehende Erweiterung durch Billiglohnländer Arbeitsplätze abwandern und so neben dem selben Prozess durch die Globalisierung alle mühsam erkämpften Rechte und Privilegien beschnitten werden, ja oft nicht mehr existent sind.

Wenn wir auf die deutsche Problematik eingehen, hat man den Eindruck die etablierten Parteien spielen nur das aus Krimis bekannte Spiel "Guter Bulle, böser Bulle", wo man durch Zuckerbrot und Peitsche Menschen gefügig machen oder austricksen will. Es scheint, die CDU zeigt nur noch grässlichere Folterinstrumente, damit die etwas weniger grässlichen der SPD von der Bevölkerung akzeptiert werden.

Obwohl die wirtschaftlichen Zahlen besser werden, war in diesen Tagen zu lesen, dass viele große Firmen in der nächsten Zeit weiter tausende von Arbeitsplätzen abbauen wollen. Wir sind also wieder beim Thema meiner letzten Zwischenrufe: Jobloses Wachstum - nicht nur in den USA sondern auch bei uns. Es müßte doch langsam dem blindesten Politiker klar werden, dass heute durch Wachstum nicht automatisch Arbeitsplätze entstehen und damit auch die soziale Versorgung der Bevölkerung nicht mehr voll von den Beschäftigten getragen werden kann, sondern die Sozialabgaben in steigendem Maß auch an die Produktion, also an die Wertschöpfung, gekoppelt werden müssen. Und diese ist nicht gesunken, im Gegenteil steigt sie noch immer leicht. Wenn heute eben immer mehr ohne Menschen, dafür mit Maschinen produziert wird, dann muß dieser technische Fortschritt und der Ertrag daraus den Menschen zugute kommen. Nicht nur den Besitzern der Maschinen, sondern der Allgemeinheit. Denn wenn Wirtschaften nicht den Völkern dient, welchen Zweck hätte es dann? Nur die Anhäufung von Reichtum in immer weniger Taschen? In unserem GG heißt es bekanntlich in Artikel 14, 2: Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll dem Wohle der Allgemeinheit dienen.