Zum Tode von "Tante Kattl"

Katherina Geiss wurde heute, am 26.Juli 2005, in Regen beigesetzt, knapp drei Monate nach ihrem 97. Geburtstag und nach einer halbjährigen verschärften alters- und kranheitsbedingtem Leidenszeit. Sie, die ihr Leben lang für andere dagewesen war, ertrug es nicht, bei immer noch hellklarem Verstand, als Pflegefall auf die Hilfe anderer angewiesen zu sein. So sehnte sie ihren Tod herbei und konnte es gar nicht fassen, dass eifrige Sankas und Ärzte sie vor zwei Wochen noch einmal aus dem Koma holten, hatte sie doch schon beizeiten eine Patientenverfügung verfasst, mit der sie gerade dieses verhindern wollte... Erst am 21.7. hatte ihr Leiden endlich ein Ende und die Trauer um sie wird von Erleichterung über das Ende ihres Leidensweges überlagert, so war zumindest der allgemeine Tenor in der Verwandtschaft bei der Beerdigung.

Der Trauergottesdienst in der Regener Pfarrkirche wurde vom Stadtpfarrer Eder gehalten und bei jedem Wort über die Verstorbene war zu spüren, dass er sie gekannt und geschätzt hatte, als gläubige Christin, als Samariterin und als hellwachen fragenden Geist, denn bis zuletzt hatte sich unsere "Tante Kattl" für die Menschen um sie und die politischen Vorgänge interressiert. Die Worte des Pfarrers waren in einer Weise treffend gesetzt, wie man es selten bei Trauerreden hören kann.

Katherina, für uns "Tante Kattl", wurde 1908 in Mitterbichl als eines von 14 Kindern auf dem "Martin-Petern-Hof" geboren. 1919, im Alter von 11 Jahren starb ihr die Mutter und es folgten sehr schwere Jahre für die Familie, auch was die Arbeitsbelastung für die Kinder anbelangte. Der körperlich zierlich gebauten Katherina fielen die bäuerlichen Arbeiten zudem recht schwer und fünfzehnjährig, der Vater hatte erneut geheiratet und die Stiefmutter zwei Kinder in die Ehe mitgebracht, entlastete sie die Familie und ging nach Dresden, wo sie eine Ausbildung als Krankenschwester absolvierte. Bis zu ihrer Rente arbeitete sie aufopferungsvoll in ihrem Beruf, viele Jahrzehnte davon in einer Klinik bei Frankfurt. Sie blieb unverheiratet und kinderlos. Ihre Lebensaufgabe fand sie neben ihrem pflegerischen Beruf auch in der Unterstützung der umfangreichen Verwandtschaft.

Nach der Rente zog sie nach Regen und versorgte ihre Schwester Anna bis zu deren Tod. 1992 übersiedelte sie dann in das örtliche Altenwohnheim, wo sie sich weitere zehn Jahre um ihre Mitbewohner kümmerte und ihnen half, soweit sie es vermochte. Die letzten Jahre ihres langen Lebens bemühte sie sich, teilweise unter größten Anstrengungen, nach außen hin nicht als Pflegefall zu erscheinen, der sie aber faktisch schon längst war. Doch unter kaum beschreibbaren Mühen versorgte sie sich fast bis zuletzt über weite Strecken alleine, allen Gebrechlichkeiten zum Trotz. Sie gestand mir einmal, dass sie für hygienische Verrichtungen, die man normalerweise in einer halben Stunde schafft, einen halben Tag aufwenden muß. Dies schaffte sie durch ihren Stolz, ihren Ehrgeiz und ihre große Hartnäckigkeit im Verfolgen von Zielen. Sie wußte aus ihrem Beruf, dass ein Kranker oder Alter verloren hat, so bald er sich aufgibt und dass man seinen Geist täglich trainieren muß, wenn man nicht dement werden will. Und ihre geistige Regsamkeit, Mitsorge um die Welt und auch eine breitgestreute Neugier hatte sie sich bis zuletzt erhalten.

Helmut Geiss, Großneffe