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Ziegenhaltung 

Kurzgefasste praktische Tipps eines langjährigen Ziegenzüchters und Selbstversorgers

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Gründe, die für eine Ziegenhaltung sprechen:


1. Tierhaltung hat viel mit Kultur zu tun

Die Ziege ist vermutlich das älteste Haustier des Menschen. Seine Entwicklung und die Besiedlung klimatisch ungünstiger Gebiete war nur durch das symbiotische Verhältnis mit seinen Milchtieren möglich. (Der Mensch sorgte für Winterfutter und die Tiere wandelten ihm Gras und Zweige in Milch und Fleisch um).

2. Arterhaltung

Die Milchtierhaltung und das Wissen darum ist ein wichtiges Teil unseres Kulturerbes. Wer ein Milchtier hält, hilft auch mit, das unersetzbare genetische Erbe eines in Jahrtausenden gezüchteten Tieres weiterzugeben. Durch die nur an Leistung orientierte moderne Landwirtschaft, die sich auf nur wenige Tierrassen beschränkt, sind manche alten Landrassen heute vom Aussterben bedroht, dies gilt für Rinder, Schweine und Geflügel und erst recht für Milchziegen, die beinahe schon zur Seltenheit geworden sind.

3. Selbstversorgung = ein Stück Unabhängigkeit

Eine Ziege schenkt ein Stück wirtschaftliche Unabhängigkeit bei der Versorgung mit Nahrungsmitteln. Zudem kann man durch Haltung und Fütterung auf die Qualität der eigenen Nahrungsmittel Einfluß nehmen.

4. Milch

Von einer Ziege kann man etwa 700 Liter Milch im Jahr bekommen, was durchaus den Milchbedarf einer kleinen Familie decken kann. Ziegenmilch ist schmackhaft, durch ihre feine Fettstruktur leicht verdaulich und ihr gesundheitlicher Wert wird allgemein gerühmt. Aus der Milch läßt sich mit geringem Aufwand Quark und Käse gewinnen.

5. Haltung

Die Haltung einer Ziege ist auch bei nur kleiner Gartenfläche möglich. Es genügt ein kleiner zugfreier Bretterstall und eine eingezäunte Freifläche davor. Eine Ziege kann man an einer Leine spazieren führen und so ihren Bedarf an frischem Grün etwa an Wegrändern und im Wald stillen. Neben Brot, Gemüse- und Obstabfällen kann man ihr Zweige und Äste zum Abschälen füttern. (Rinde ist sehr eiweißreich und hält die Ziege gesund).

Nach kurzer Gewöhnungszeit weiden Ziegen auch an einem etwa 3 Meter langen Strick, der mit einem Ring an einem Pflock befestigt ist, so daß sich der Strick nicht aufwickelt. Mit dieser Methode kann man der Ziege ihre Weideportionen zuteilen und spart sich den Rasenmäher.

6. Besonderheit des Charakters

Ziegen haben einen recht individualistischen Charakter und können deswegen durchaus auch allein gehalten werden, wenn sich Menschen ausreichend um sie kümmern. Sie suchen den Menschen als Partner und werden sehr zutraulich. Sie vertragen sich - wenn man sie früh genug zusammengewöhnt - aber auch mit beinah allen anderen Haus- und Nutztieren.

Ziegen lassen sich, ein wenig den Katzen vergleichbar, nicht zum Gehorsam erziehen. Sie sind verfressen, wählerisch und neugierig und ihr leises Meckern hat oft einen vorwurfsvollen und fordernden Unterton. (Das sie selber gerne meckern, tragen sie es dir auch nicht nach, wenn du sie anmeckerst...)

7. Pädagogische Gründe

Tierhaltung kann die Menschen aus ihrer Ich-Bezogenheit lösen und ihnen die Sinne für die Großartigkeit der Natur, ja für die Welt öffnen. Wer Tiere hält lernt, sich in anderes Leben einzufühlen, lernt mitfreuen und mitzuleiden. Wer Tiere hält wächst in eine Art Elternrolle hinein, was auf einfache Weise auch das Selbstbewußtsein stärkt, denn: die Verantwortung für ein schwaches Wesen macht stark!


Haltungsbedingungen

Wenn Rinder zwischen einem warmen Stall und einem trockenen, windgeschützten Plätzchen im Freien entscheiden können, ziehen sie - bis minus 20 Grad - den Aufenthalt im Freien vor. Bei Pferden ist es ähnlich und auch Ziegen sind - entgegen hartnäckiger Vorurteile - mit Einschränkung, durchaus winterhart. Natürlich nur, wenn sie das ganze Jahr im Freien gehalten werden und sich ihr Fell und ihr Körper den Jahreszeiten anpassen kann. Wer seiner "Stallziege" im Winter plötzlich dauernde Minusgrade zumutet, wird sie vermutlich umbringen. Ziegen haben ein, im Vergleich mit Schafen, dünnes Fell, aber bei Robusthaltung bildet sich im Herbst eine dichte Unterwolle, die sie erst im Frühjahr verliert, die früher herausgekämmt und zu feinster Wolle versponnen wurde. Natürlich muß zur Gesunderhaltung auch die Haltung und Ernährung artgerecht sein. Die Ziegen müssen freien Auslauf haben, damit sie sich nachts zusammenkuscheln können und sich tagsüber in die Sonne stellen. Wer Ziegen bei Minusgraden anbindet, ist ein Tierquäler. Was Ziegen nicht mögen ist Nässe. Als Stall genügt durchaus eine Holzhütte, wenn sie nur regen- und winddicht ist ist und eine  trockene Unterlage hat. Dafür empfiehlt sich die sogenannte "Tief- oder Matratzenstreu", wie sie sich auch bei Pferden bewährt hat. Bei dieser Haltungsweise wird als Grundlage eine etwa 20 cm dicke "Matratze" aus Stroh oder altem Heu ausgelegt. Die Ziege sorgt dann selber für die weitere Einstreu, weil sie von allem angebotenen Heu und Laub einen Teil auf den Boden streut, den sie dann nicht mehr frißt. Die "Matratze" kann bis zu einem halben Meter dick werden und braucht nur zweimal im Jahr gewechselt werden. Hygienische Bedenken oder Sorgen wegen Geruchsbelästigung sind unbegründet, letztere gibt es nur, wenn die "Matratze" entfernt wird, was eine ziemlich überschaubare Beeinträchtigungsdauer darstellt.

Ziegen in finsteren Ställen anzubinden ist Tierquälerei, eine solche Haltung sollte endgültig der Vergangenheit angehören. Ziegengerechte Haltung ist auch nicht von der Größe des Auslaufs abhängig. Es genügt durchaus ein kleine Koppel vorm Stall, die immer zugänglich ist und wer dazu noch einen Steinhaufen, einen Baumstamm oder andere erhöhte Standorte anbieten kann, wird zufriedene Tiere haben. Wenn er dann auch noch täglich eine Stunde mit den Tieren "Gassi" geht und sie an Stauden nagen lassen kann, wird nicht nur den Tieren, sondern auch seiner eigenen Gesundheit Gutes tun. Steiniger Untergrund ist auch gut für den Abrieb der Klauen. Übrigens genügt es bei mehreren Tieren die "Chefin" angeleint zu lassen, die anderen bleiben (meist) in der Nähe. Das sollte man sich aber nur in der freién Natur leisten, wo sie keinen Schaden anrichten können.

http://www.hgeiss.de/fotos/froschau/gallery/dcp_6283.html

Übrigens - anders als Schafe, die sich bei Gefahr zusammendrängen, fliehen Ziegen in getrennte Richtungen, vermutlich um den Angreifer zu verwirren...

Ihr Speiseplan

Wenn Ziegen frei laufen können, weiden sie eine Fläche nicht ab, sondern suchen sich nur die für sie schmackhafteste Nahrung. Sie zupfen gerne die Spitzen der Gräser ab, naschen hier und da ein Blatt, dort ein paar Knospen und dazwischen schälen sie mit Begeisterung an vielen Gehölzen.

Favoriten sind dabei Weiden und Apfelbäume. Sie schälen aber praktisch jeden Laub- und Nadelbaum. Im Winter fressen sie auch sehr gerne Reisig von Fichte, Kiefer und Tanne. Wer Nadelholz zu entrinden hat, legt sie am besten den Ziegen vor, denn diese erledigen diese schwere Arbeit mit Begeisterung. Ebenso bewährt sich die Ziege bei der Rodung von verbuschtem Gelände.

Bis in den späten Herbst können Ziegen alleine von dem leben, was sie auf der Weide finden. Als Blattfresser sammeln sie auch das frisch gefallene Herbstlaub auf. Man kann dieses auch trocknen und im Winter als Futter anbieten. Eine besondere Delikatesse ist Brennesselheu, dieses ist auch gut für die Milchleistung. Ziegen brauchen zu ihrem Wohlbefinden Beschäftigung, weswegen immer auch Zweige angeboten werden sollen. Nebenbei sind diese auch eine sehr gute Quelle für Vitamin- und Mineralstoffe.

Wer von seiner Ziege aber eine nennenswerte Milchleistung haben will, muß etwa ab dem Herbst Getreide oder Rüben zufüttern (ungebrochenen Hafer, Weizen, Gerste, Mais, Roggen, Hirse usw.)

Als Feinschmecker lieben Ziegen beinah alle Gemüse- und Obst(reste), Brot, Knödel, Nudeln und Kartoffeln. Bei Speiseresten ist nur zu beachten, daß kein Fett und keine Soßen dabei sind. Als Vegetarier dürfen Ziegen natürlich auch keine Fleisch, Wurst oder Käseabfälle bekommen, ebensowenig Kuchen und Süssigkeiten.

Abgekühltes Nudel, Reis - oder Kartoffelwasser trinken Ziegen gerne, Salz darf auch dabei sein.

Die Ziege ist Wiederkäuerin. Das heißt, daß sie nur etwa einen halben Tag weidet und die andere Hälfte irgendwo liegt und das Gefressene gemächlich ein zweites Mal durchkaut.

Ihr Verhalten

Ziegen sind Fluchttiere, ihre Hörner setzen sie nur untereinander ein oder wenn sie von anderen Tieren bedroht werden. Ziegenmütter legen sich sogar mit größeren Hunden an und sind oft dabei sogar erfolgreich. Und doch soll es auch Ziegen geben, die Menschen stoßen. Vermutlich wurden sie aber von diesen erst angriffslustig gemacht. Wer seine Tiere ruhig und freundlich behandelt, wird auch immer friedliche Tiere haben.

Ziegen sind in aller Regel recht selbstbewußt und zielstrebig und erfinderisch, wenn sie für sich einen nahrhaften Vorteil sehen. Man muß ihnen deswegen konsequent und energisch ihre Grenzen aufzeigen. Mit Sicherheit zeigen sie weder Dankbarkeit noch Respekt dafür, daß man ihnen irgendetwas duchgehen läßt. Gerne schlüpfen sie durchs Gartentor, wenn es auch nur einen Spalt offensteht. Einfangen kann man sie nur mit Gelassenheit und Ruhe, etwa in dem man sie nicht weiter beachtet, und so tut, als habe man sie absichtlich ausgelassen. Wer dann nach einer Weile im Stall so nebenbei mit der Haferschüssel hantiert oder einen Fichtenzweig aufhängt, wird nicht lange auf die Ausreißerin warten müssen. (Natürlich muß man sie dann für das Zurückkommen auch ein wenig belohnen). Wer ihnen aufgeregt und schimpfend hinterherläuft, der wird bald unter Luftmangel leiden und überhaupt einen etwas lächerlichen Eindruck machen.

Richtig weglaufen tun Ziegen nicht, es sei denn, sie werden durch Geschrei und Schimpfen vertrieben, denn nichts lieben sie mehr als ihren geschützten Stall und die Haferschüssel.

Beim Spazierengehen darf man Ziegen nicht hetzen. Sie wollen keine Kilometer absolvieren, sondern überall ein wenig zupfen und naschen.

Bockigkeit

Ziegen werden im Herbst alle drei Wochen bockig, wenn man sie nicht gleich beim ersten Mal zum Bock gebracht hat. Ist eine Befruchtung erfolgt, gibt es nach 150 Tagen junge Zicklein. Eine Ziege gibt dann, wenn sie regelmäßig gemolken wird, bis zu drei Jahren Milch, wobei die Milchleistung im ersten Jahr am höchsten ist.

(Ich hatte Ziegen, die auch 6 Jahre nach dem "Kitzeln" (Geburt) noch zwei Liter Milch gaben. Solange Milch "gefordert" wird, also solange gemolken wird, liefert die Ziege, zumindest bei liebevoller Versorgung, sie nimmt dann die melkende Person quasi als Kitz an. Ich betone das für die Leute, die gerne Milch h, aber nicht jedes Jahr Nachwuchs haben wollen, was ja fmeistens Schlachten bedeutet. Die Milchleistung wird mit den Jahren aber stetig weniger).

Die Bockigkeit erkennt man leicht am raschen Wedeln mit dem Schwänzchen und am lauten Gemecker. Man läßt sie in dieser Zeit im Stall, wenn man sie nicht zum Bock bringt. Nach zwei Tagen hört das Gemecker von alleine auf.

Geruch

Hartnäckig hält sich das Vorurteil, daß Ziegen stinken. Doch stinken tun nur die Böcke, vor allem im Herbst zur Deckzeit. Eine Ziege, die beim Bock war, stinkt natürlich auch einige Tage, denn Ziegen lieben sich nicht platonisch....

Es gibt aber auch noch einen anderen Grund für Gestank: nicht artgemäße Haltung, wenn Ziegen kurz angebunden in ihrem eigenen Mist liegen müssen. Eine Ziege mit trockenem Freilaufstall oder gar eine, die ganzjährig auf der Weide lebt, stinkt überhaupt nicht. Ziegen gehören sogar zu den Tieren mit geringem Eigengeruch. Würden sich die Menschen in Streichelzoos so um die Ziegen drängen, wenn sie stinken würden? Trotzdem maßen sich Richter an, Ziegenhaltung in Wohngebieten mit Hinweis auf das "Gestank" zu verbieten. Willkür oder Dummheit?

Auch Ziegenmilch wird gerne ein strenger Geruch angedichtet, vor allem von Leuten, die noch niemals welche getrunken haben. Tatsächlich ist ihr Geschmack nach Jahreszeit und Hauptfutterart verschieden. Im Frühjahr schmeckt sie herber, im Winter süßer als Kuhmilch. Durch die feine Struktur ihres Rahmes setzt sich dieser erst nach Tagen ab, so daß sie z.B. den Kaffee so gleichmäßig färbt wie Kondensmilch.

Fleisch

Für Tierfreunde ein heikles Thema. Wir waren auch fast zwanzig Jahre nicht fähig die Tiere zu schlachten und haben die überzähligen Kitze verkauft und dabei selber Fleisch beim Metzger mit unbekannter Qualität und Herkunft gekauft, so blöd kann man sein. Bis heute haben wir keine weiblichen Kitze geschlachtet, aber dass Böcklein mit drei Monaten ein unglaublich schmackhaftes Fleisch haben, das wissen mittlerweile auch wir. Eine verletzte alte Ziege habe ich einmal an einen Metzger verschenkt und er hat mir später eine Salami davon probieren lassen: Was soll ich sagen, eine Wurst an die man sich gewöhnen könnte...

Ohrmarken

für Ziegen sind Tierquälerei. Damit versuchten Politiker, Lobbyisten und Bürokraten nach den Fleischskandalen bei Tierfabriken und Großhändlern das Gefühl von Sicherheit vorzumachen, nach dem Motto "Was eine Nummer hat, haben wir im Griff!" Das ist natürlich die reine Rosstäuscherei, denn damit wird nur der Warencharakter von Nutztieren ausgedrückt, eine Bürokratie gemästet und fiskalischen Wünschen entsprochen. Gewissheit über das Herkunftsland und über Haltungs- und Fleischqualität wird vorgegaukelt, doch spätestens wenn die Ohren ab sind und das Fleisch ein paarmal durch Europa verschoben wurde, ist alles nur noch Humbug.

Dass diese Vorschriften für Grossagrarier von den Veterinärämtern auch von kleinen Selbstversorgern verlangt wird, grenzt an reine Willkür. Gerade Tierhalter, die sich um artgerechte Haltungsbedingungen bemühen, werden ihren Tieren die Tortur nicht antun, denn die Tiere reissen sich die Marken im Gestrüpp runter oder beissen sich die Fremdkörper gegenseitig ab. Im Netz finden sich viele Bilder, die diese ausgerissenen Ohren dokumentieren.