1999 Vom Füllen unserer Zeit

Das Leben ist kurz, doch dies ist es nur mit Abstand betrachtet. Wenn man es lebt und so mittendrin ist, besteht es aus viel Zeit, die strukturiert werden will. Tiere haben damit kein Problem, denn ihnen genügt es, sich zu erhalten und weiterzupflanzen, was ja zumeist genug Aufwand macht. Bleibt Zeit darüber hinaus, dann dösen sie vor sich hin. Dies ist übrigens dem vergleichbar, was die weisesten Menschen auch als besonders edlen Zeitvertreib werten, sie nennen es Kontemplation oder Meditation.

Die weniger weisen Menschen haben aus dem Leben ein kompliziertes Spiel gemacht, das zu erlernen viele Jahre Schulausbildung, je lebenslanges Lernen, erfordert. Alles, auch das Einfachste, ist schwierig, und nichts ist so einfach, dass es nicht noch geteilt, vertieft und spezialisiert werden könnte, was die Sache nie erleichtert sondern im Gegenteil immer mehr erschwert. So füllen Menschen ihr Leben.

 

Nun könnte man sagen, dies sei ein im Grunde sinnloses, künstliches Treiben, doch es gehört eben zum Menschen, und sie loben es in den höchsten Tönen, finden in ihren Beschäftigungen und Künsten ihren Lebenszweck. Und wer die Welt betrachtet, kommt nicht umhin, sich über das Geschaffene zu wundern und es zu bewundern.

 

Etwas "außer sich zu erstreben" gilt auch den größten Köpfen als edle Sache. Ja, der Mensch gilt letztlich als das, was er tut, wie er nach außen wirkt, er schafft sich so ein Stück selbst. Je größer sein Arbeitseinsatz, sein Wissen um eine Sache oder seine Kunstfertigkeit, umso angesehener ist er im Normalfall. Und doch verbringt die Mehrzahl der Menschen ihre Tage mit stupiden und langweiligen Tätigkeiten und die Freizeit lassen sie sich durch käufliche Kurzweil aller Art vertreiben.

 

Eine die Welt sehr dominierende Variante des menschlichen Tuns ist das Sammeln und Horten von Dingen und Gütern aller Art über das vernünftige Maß der Erhaltung der Existenz hinaus. Hier mag noch ursprünglich arterhaltendes Verhalten zur Abwendung von Notsituationen zu Grunde liegen, vielfach ist dieses Verhalten heute entartet bis zum Exzess. Gleiches gilt für das ursprüngliche Verhalten zur Sicherung des Reviers und des Erstrebens einer Dominanz im Herdenverband, die ursprünglich arterhaltende Funktion hatte. Die maßlose Zunahme der menschlichen Population, der damit verbundenen gedrängten Wohnformen mit dem daraus resultierenden Rattenschwanz an Folgeproblemen, aber auch dass krasse Missverhältnis zwischen seiner ethischen Steuerung und seinem technischen Vermögen, hier vor allem seiner Zerstörungskraft, machen den Menschen zum größten Feind seiner eigenen Art, aber auch zum furchtbarsten Feind der ganzen Schöpfung.   

 

Doch was ist uns derart entarteten Wesen zu raten? Dieses verrückte Spiel immer weiter zu treiben oder uns wieder auf das lebenswichtige Tun zu beschränken und uns ansonsten still zu halten? Vielleicht genügt es schon, wenn wir auf dieses ursprüngliche Tun nicht mehr herab schauen, das andere kann sich dann durchaus von alleine regeln.