zu Euerem Bericht über die Winterfütterung muß ich nun doch von eigenen
Erfahrungen und Beobachtungen in einem Leserbrief berichten: (nicht
abgeschickt)
Sie berichteten, daß das Wild das angebotene Heu wenig beachtet. Man
kann wohl daraus folgern, daß die Tiere keinen Hunger haben, weil sie andere
Nahrung vorziehen. Auch ich habe lange geglaubt, das Wild hungere im Winter,
weil seine Nahrung unerreichbar unter der Schneedecke liegt. Bis mir
Beobachtungen an Ziegen und Schafen zeigten, daß diese - wenn sie wählen können
- Blätter, Zweige und Rinde allem anderen Futter vorziehen, von Getreide, Brot
u.ä. einmal abgesehen. Heu wird nur gefressen, wenn es nichts besseres - also
Stauden und Bäume - gibt! Und Letztere finden die Tiere ja zur Genüge im Wald.
Ziegen und Schafe fressen leidenschaftlich gerne "Grossad" von
Nadelbäumen, nagen ausgewachsene Kiefern bis aufs Holz ab, entrinden armdicke
oberirdische Wurzeln und sie lieben Zweige, Rinden und Knospen vieler
Laubgehölze. Man darf wohl annehmen, daß Rotwild einen ähnlichen Speiseplan
hat.
Es ist also ein Märchen, daß die Wildtiere im winterlichen Wald ohne die
fütternden Jäger verhungern müßten oder daß man mit Heufütterung den Wildverbiß
nennenswert eindämmen kann. (Wobei es den großen Nadelbäumen wohl kaum schadet,
wenn Rotwild an den unteren Ästen nagt, anderes gilt natürlich für junge
Laubbäume).
Warum Heu weitgehend verschmäht wird, hat aber noch einen anderen Grund.
Ich habe selber beobachtet, wie Allgäuer Rinder, die den Sommer über das
ungedüngte Gras der Almen genießen konnten, im Tal das Gras der fetten, mit
Gülle und Mineraldünger durchtränkten Weiden zu Fressen verweigerten. Der
herbeigerufene Tierarzt war ratlos und erst als die Tiere auf dem Weg in den
Stall mit Heißhunger über eine nichtgedüngte Wiese eines Biobauern herfielen,
wurden die Zusammenhänge klar.
Nun werden Wildtiere kaum über weniger Geschmack verfügen als Rinder.