1991 Kritik der gegenwärtigen Weltwirtschaft
Die
Welt ist kleingeworden, das weiß jeder, ebenso daß die Reichen ihren Wohlstand
von überall zusammenstehlen. Alles Leben auf der Erde greift ineinander, wir
trinken dasselbe Wasser, atmen dieselbe Luft usw. Daß alle Menschen vor Gott
gleich sind, haben weise Religionsstifter schon vor tausenden von Jahren
gepredigt, daß alle Menschen dieselben Menschenrechte haben, steht in der
UN-Charta. Der Sozialismus hat internationale Solidarität gefordert und auch,
daß sich die Unterdrückten aller Länder vereinigen sollen, denn eine wirkliche
Kluft gäbe es nur zwischen denen, die Menschen ausbeuten und denen, die
ausgebeutet werden.
In
allen Sonntagsreden gilt Völkerverständigung als hoher Wert, der Fall von
Landesgrenzen als Fortschritt.
Daß
Rassisten und Faschisten immer das Gegenteil wollten und Menschenrechte mit
Füßen traten (und treten) ist ebenfalls bekannt. Daß aber zum Ende des zweiten
Jahrtausends nach Christi das nationale Denken wieder derartigen Aufschwung nimmt
und sich auf der ganzen Welt wieder Volksgruppen die Schädel einschlagen, ist
entsetzlich und zeigt wie barbarisch die Menschen immer noch sind, wie
beschränkt, egoistisch und kurzsichtig.
Anstatt
die ökologischen und Verteilungsprobleme anzugehen, weltweit die Menschlichkeit
voranzubringen, werden Kriege geführt und treibt blinder religiöser Dogamtismus
Blühten wie in finsteren Zeiten des Mittelalters, nur daß die Mordwerkzeuge in
der Zwischenzeit unendlich effektiver geworden sind. Doch die Erde ist klein
geworden, die Bevölkerungsentwicklung ist explodiert, gleichzeitig wird der
nutzbare Lebensraum aber durch die Folgen der menschlichen Mißwirtschaft immer
kleiner. Das Bild vom gemeinsamen Boot Erde, wie es manchen Astronauten aus dem
All erschien, ist treffend. Doch wie lange kann ein Boot schwimmen, auf dem das
Faustrecht herrscht? Auf dem es Hunger bei den einen und Überfluß und
Verschwendung bei den anderen gibt? Wer auf einem Schiff bei den Armen die
Bordwände abbaut und bei den Reichen verheizt, kann nur ein Narr sein, denn
wenn irgendwo Wasser eindringt, werden schließlich alle ersaufen.
Doch
welche Möglichkeiten des weltweiten Miteinander haben wir? Die gegenwärtige
Situation: Ein eher kleiner Teil der Menschheit, weitgehend Nachfahren ehemaliger
Kolonialmächte, hat durch Know-How, Infrastruktur, technische Möglichkeiten,
Finanzmittel, militärische Mittel usw. die Macht sich seine Konsumgüter aus der
ganzen Welt zu beschaffen. Alleine durch Schulden- und Zinsdruck sind die armen
Länder gezwungen Güter zu exportieren, für die Produktion der Güter werden
technisches Gerät, für die Absicherung der meist unsozialen
Produktionsverhältnisse Waffen importiert, was die Verschuldung und den
erwähnten Teufelskreis in Gang hält. Sobald ein Land daraus aussteigen will,
oder sich mit Leidensgenossen zu organisieren sucht, antworten die reichen
Ländern mit Waffengewalt, häufig auch verdeckt über Umwege. Es werden Konflikte
geschürt, dem eigenen Vorteil genehme Kräfte unterstützt, damit die
Vereinzelung der armen Länder erhalten bleibt.
Durch
diese Politik werden natürlich in der ganzen Welt Krisenherde unterhalten, was
zu Verfolgung und Vertreibung von Menschen führt. Viele von ihnen drängen in
die reichen Länder um dort Asyl zu bekommen. Eine noch größere Zahl, die
sogennanten "Wirtschaftsflüchtlinge" gehen denselben Weg, um für sich
mehr Wohlstand zu erlangen, in dem sie sich als Verfolgte ausgeben. Natürlich
ist es ein Unding, wenn einer die fremden Menschen nicht haben will, bei ihren
Produkten (die billig feilgeboten werden) aber mit beiden Händen zugreift!
Die
reichen Ländern, die einen guten Teil ihres Wohlstandes auf ehrliche,
halbehrliche oder räuberische Weise von den armen Ländern haben, wollen zwar
auf die Waren nicht verzichten, gerne aber auf die fremden Menschen. Man
befürchtet Überfremdung, hat rassistische Vorbehalte, Angst vor sozialen
Konflikten und verweist auf eigene Übervölkerung, Umweltprobleme usw. Liberale,
linke und christliche Humanisten pochen aber auf die Menschenrechte und fordern
eine multinationale, multikulturelle Gesellschaft.
Diese
Forderung zuende gedacht hieße, daß es parallel zum freien Weltmarkt der Waren
auch einen solchen an Menschen geben müßte, also neben weltweit freien
Warenfluß einen ebensolchen Menschenfluß. Eine im ersten Moment bestechende
Idee: Die Menschen siedeln sich dort an, wo sie wollen, behalten ihre
kulturellen Eigenheiten oder verschmelzen mit den anderen, alle sind frei und
gleichberechtigt usw. Mir ist diese Vorstellung persönlich sehr sympathisch,
ich habe schon immer gerne mit toleranten Menschen anderer Kulturen
zusammengelebt, landsmannschaftlicher Dunstkreis war mir stets zuwider, ein
Deutschland, indem nur Deutsche leben, geradezu ein Alptraum. Ich meine auch,
wer ja zu freiem Warenverkehr und grenzüberschreitender Umweltzerstörung sagt,
muß ebenso Ja zu freiem Menschenverkehr sagen! Da ich aber zu dem Einen Nein
sage, muß ich es auch zum anderen tun. Nicht weil mir der Gedanke daran nicht
gefällt, sondern weil dies die Verstädterung, die zerstörerischen
Konzentrationen von Menschen, Waren und ihrer tödlichen Ausscheidungen noch
mehr vorantreibt, weil es zwangsläufig die Menschen der Natur noch mehr
entfremdet und unser Ende noch mehr beschleunigen würde!
Völkerwanderungen
zu den Fleischtöpfen sind aber die logische Folge unseres heutigen
Wirtschaftens, denn Menschen suchen immer ein möglichst bequemes Leben zu
führen. Die sozialen und ökologischen Folgen wären für die ganze Welt
katastrophal, denn über 5 Milliarden Menschen wollen gut verteilt sein. Überall
wo Menschen zu eng aufeinanderleben, wächst das Elend und die Kriminalität, wie
sich in allen Metropolen auf der ganzen Welt zeigt. Es gibt nur wenige
Beispiele in der Geschichte, wo verschiedene Kulturen und Völker friedlich
nebeneinander lebten und noch leben, jede Menge Beispiele aber, wo sie sich
haßten, diskriminierten und bekämpften. Wenn ich heute die Völker der
Sowjetunion sehe, wie sie wieder ihre alten Nationalstaaten erstreben und
Minderheiten bekämpfen- oder der Dauerkonflikt auf dem Balkan, im vorderen
Orient, auch in den USA, wo zweihundert Jahre Demokratie noch nicht Rassismus
und Diskriminierung beseitigt haben, dann kann ich an einen Erfolg weiterer
Vermischungen nicht glauben. Einwanderungsfreiheit zu fordern ist für
wirtschaftlich abgesicherte Idealisten das eine, für Menschen, die auch heute
schon in Not leben und um ihren Arbeitsplatz fürchten etwas anderes. Gut ist
der Mensch, wenn er satt ist, schlecht, wenn er um seine Existenz bangen muß!
Es
geht einfach aus tausenderlei Gründen nicht, die alle in unserer Beschränktheit
wurzeln.
Um
nochmal das Bild von den Fleischtöpfen aufzugreifen: Diese sind nicht länger
haltbar! Reichtum und Überfluß sind die andere Seite der Medaille von Armut und
Mangel! Die Reichen müssen abgeben und die weitere Ausbeutung der Armen, was ja
die Quelle des Reichtums ist, muß gestoppt werden! Ich weiß, daß die
Wirklichkeit unendlich komplex ist, die wirtschaftlichen Verwicklungen
scheinbar unauflösbar, die Zerstörung der anderen Kulturen durch die
europäisch-amerikanische Zivilisation, die einem Krebsgeschwür gleich wuchert
und bereits in den entlegensten Winkeln der Erde ihre Metastasen gesetzt hat,
kaum rückgängig zu machen. Und weil gegen Karzinome auch mit Apparatemedizin
wenig auszurichten ist, Stahl und Strahl die Lebenserwartung nicht wirklich
verlängern, kann das Heil nur in der Prophylaxe liegen, also: Vermeidung
krebsauslösender Bedingungen, Stärkung des Organismus, Umstimmungstherapie...
Oder
meint jemand - um nochmal ein medizinisches Bild zu bemühen - daß ein Körper
überleben kann, wenn die Körperzellen aus unterversorgten Körperregionen alle
zum alles an sich reißenden Karzinom wandern?
Die
allerwenigsten Menschen würden, wenn sie eigenes Land, Brot und Gerechtigkeit
hätten, ihre Heimat verlassen wollen. Deswegen gilt es das Wohlstandsgefälle
abzubauen, denn solange es Reiche und Habenichtse gibt, wird es Flüchtlinge
geben. So wie eine Säure nach einer Base und diese wiederum nach einer Säure
strebt, um sich gegenseitig zu neutralisieren, muß es auch zwischen Armut und
Reichtum zu einem Ausgleich kommen. Kein Mensch sollte sein Land mehr aus
wirtschaftlicher Not oder politischer Verfolgung verlassen brauchen! Jeder
sollte sich zur Kultur seiner Wahl bekennen können, die Völker einander
begegnen und gerade wegen ihrer Eigenarten achten. Die Vermischungen, die sich
dann unter Gleichrangigen ergeben würden, liefen auf einer anderen Ebene ab und
wären von Wertschätzung füreinander geprägt.
Ich
verurteile also radikal unsere heutige Weltwirtschaftsordnung und ich bin
dafür, daß jedes Volk nur dann Waren exportieren darf, wenn die primären
Bedürfnisse aller Mitglieder gedeckt sind. Nur die wirklichen Überschüsse
dürfen gehandelt werden. Da das heutige Zinssystem die Ursache von neuer
Versklavung und Inflation ist, muß die Wucherei des Kapitals geächtet werden.
Jedes
Volk muß erkennen, daß sein einziger Reichtum sein fruchtbares Land ist, dessen
Artenvielfalt und die Gesundheit, Bildung und die Fähigkeiten seiner Menschen.