14.11.91 Sperrmüllerein

LB an MZ

In einem Bericht zum Thema Sperrmüll gebrauchten Sie in den letzten Tagen wiederholt den Begriff "Sperrmüllhaie" für Leute, die die Haufen nach noch Brauchbarem absuchen. Selten habe ich eine so verfehlte Wortwahl gelesen. Es gibt zwar Miet- und Wohnungshaie, Kredit-, Börsen- und Rüstungshaie usw. und in diesen Fällen mag der Begriff Hai- mit das schärfste Wort, das wir im Deutschen für skrupellose Menschen haben- auch gut gewählt sein (obwohl die echten Haifische sich wohl bedanken würden, wüßten sie, mit welchen gierigen Berufsständen man hier ihren guten Namen verbindet). Daß man aber diejenigen Menschen, die aus dem Sperrmüll die noch brauchbaren Teile heraussuchen, um sie wiederzuverwenden, als "Haie" bezeichnet, ist einfach unzulässig, sind es schließlich diese "Sperrmüller", die seit jeher den Müll verringern und unserer Verschwendungsgesellschaft ein wenig gegensteuern. Ich erinnere mich noch gut an die Anfänge der Sperrmüllaktionen Anfang der siebziger Jahre in Berlin, wo die Sperrmülltage beinahe Volksfestcharakter hatten und ein buntes Suchen und Tauschen waren. Es gab aber auch damals schon Leute, die sich darüber ereiferten, wenn jemand "ihren" Müllhaufen" durchsuchte. Ich habe das dahinterstehende Denken nie verstanden, denn wir freuten uns immer darüber, wenn jemand unsere abgelegten "Schätze" noch gebrauchen konnte und sie wegholte. Sollte es den Kritikern etwa peinlich sein, daß andere sehen könnten, was sich an Krusch bei ihnen so ansammelte? Irgendwo im psychologischen Bereich muß die Abneigung gegen die Müllsammler schon wurzeln. Ich meine, mehr Gelassenheit täte der Sache gut. Statt die Sperrmüller - meist Bastler und Kinder - als Haie zu verunglimpfen- was ja sowieso absolut lachhaft ist- sollte man sie vielmehr bei ihrem sinnvollen Tun ermuntern, denn es gehört ja viel Selbstbewußtsein dazu, die Haufen durchzusehen. (Daß die Sperrmüller dabei einigermaßen Ordnung halten sollten, versteht sich von selbst.)