24.12.11 Sodom und Gomorrha

Kommentar in „freigeisst“

Aus Israel hört man nur Nachrichten, die einem die Haare zu Berge stehen lassen. In diesen Tagen wurde berichtet, dass jüdische Siedler im Westjordanland die dort ansässigen Araber immer mehr terrorisieren und den Bauern 20 000 Olivenbäume gefällt haben, um ihnen die Existenzgrundlage zu nehmen und so zu vertreiben. Wer seinen Nachbarn uralte Olivenbäume fällt, der kann nur vollkommen ignorant und moralisch verkommen sein. Ich bin es heute leid Verbrechern, nur weil sie von Israelis begangen werden, mit religiöser Umnachtung von fanatischen Gruppen zu entschuldigen, denn diese Fanatiker haben heute die Regierungsmacht und sie schützen den Terror ihrer Siedler und begehen selber welchen auf internationaler Ebene. Was in Israel seit Jahren geschieht, empört mich, auch weil ich mich selber immer als sein Freund betrachtet habe und weil mein Land durch blinde Unterstützung eine Mitschuld an den Geschehnissen trägt.

Im letzten Frühjahr, kurz bevor unsere Aufmerksamkeit völlig von den Schwindeleien Guttenbergs, dem japanischen Supergau und den Aufständen in Tunis und Kairo in Beschlag genommen wurde, gab es die Meldung, dass die palästinensichen Führer gegenüber Israel bei Geheimverhandlungen zu unglaublichen Zugeständnissen bereit gewesen seien, was in ihrer Bevölkerung Empörung verursachte. Der eigentliche Skandal aber, dass Israel trotz der Zugeständnisse die Verhandlungen abgebrochen hat, wurde in unseren Medien gar nicht thematisiert. Und so darf die nationalistische Regierung in Israel bis heute Frieden und Zweistaatenlösung verhindern und bekommt aus Deutschland sogar noch ein drittes U-Boot fast geschenkt, damit es einmal seine Atomraketen unbemerkt an seine Widersacher herantauchen kann? Wer glaubt, dass dies in Zukunft immer nur den Iran treffen könnte, der ist möglicherweise blauäugig, denn ein Staat, der offensichtlich in seiner jetzigen Form nur durch Alimentierung von Außen und durch Feindschaft mit seinen Nachbarn bestehen kann, dem ist einiges an Unberechenbarkeit zuzutrauen.

Auch Gaza ist immer noch ein großes Gefängnis und nicht nur Araber in der Westbank, sondern auch arabische Israelis werden immer mehr diskriminiert. Von all diesen Verbrechen - und von massiven sozialen Unruhen - wird durch Kriegstreiberei gegen den Iran abgelenkt, weil dessen Führung Israels Politik entschieden kritisiert. Und Amerika, Israels Schutzmacht, protestiert zwar immer wieder, tut aber nichts um seinen "Flugzeugträger" in Nahost nicht zu verstimmen. Bei Cyberattacken gegen den Iran, wie den Stuxxnet-Angriffen gegen Atomanlagen, arbeitet man offenbar sogar zusammen. Und Fachleute behaupten auch, dass Luftbilder von jüngsten Explosionsorten im Iran alle Merkmale von Luftschlägen zeigen. (Doch der Iran nimmt die Schuld für die Explosionen auf sich, denn im anderen Fall müßte er ja Vergeltung üben und würde die Welt in einen Krieg stürzen. Dies zeigt wohl, dass auch Teherans Regime nicht von allen guten Geistern verlassen ist. Leider wird die besonnene Reaktion seine Angreifer zum Weitermachen ermunteren, weil es von den westlichen Komissköpfen als Schwäche ausgelegt wird.)

Aber Israel lässt einen nicht nur bei seinem militärischem Treiben ratlos zurück, auch beim Vordringen von religiös-orthotoxen Gesetzen, kann man nur den Kopf schütteln, etwa bei getrennten Abteilen für Männer und Frauen in Bussen oder Verbot von Frauenbildern in der Öffentlichkeit. In einigen Städten mit orthotoxer Dominanz, verlangen Schilder schon, dass Frauen und Männer verschiedene Gehsteige benützen sollen oder im Supermarkt an verschiedenen Kassen anstehen sollen. Da hat sogar Amerikas Aussenministerin angemerkt, dass derartiges mehr zu Taliban und Mullahs passen würden.

Gleichzeitig schlägt Israel auch ins andere Extrem, etwa in Forschung und Medizin, bei der es keinerlei ethische Schranken mehr zu geben scheint. Dass israelische Forscher Hühner ohne Federn züchtet, damit man sich das Rupfen spart, hat man schon vor Jahren gelesen. Doch eine Meldung von heute schockiert noch mehr: Da wurde ein achtzehn Jahre lang tiefgefrorener Embryo einer Frau eingepflanzt, die das Kind auch austrug und zur Welt brachte.

Da kann einem schon Sodom und Gomorrha in den Sinn kommen... Doch in der Geschichte hat Jaweh ja keinen einzigen Gerechten mehr gefunden, was heute dann doch ganz anders ist, denn viele Israelis sind genauso entsetzt, was in ihrem Namen geschieht und es scheint als würden es immer mehr.

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Nachtrag. Heute am 28.12.11 geben die deutschen Medien wieder ein Beispiel ihrer tendenziellen Berichterstattung, wie wir es seit Jahrzehnten kennen: Überschrift: "Palästinenser feuern Raketen auf Israel ab". Erst dem anschließenden Bericht kann man dann entnehmen, dass dies eine Reaktion auf einen israelischen Luftschlag mit Todesopfern war und die pälästinensichen zwei "Raketen" eher Feuerwerkskörper waren, von denen eine noch in Gaza, die andere auf freiem Feld einschlug.