Der
Mensch war, wie die meisten anderen Lebewesen, über Jahrmillionen Nomade, er
zog seiner Nahrung nach. Er nahm was er brauchte, schied aus, was er nicht mehr
benötigte und zog weiter, wenn die Nahrung aufgegessen war oder anderswo
bessere lockte, niemals lebte der Mensch mehr im Einklang mit der Natur. Auch
heute gibt es in den Weiten Asiens, Afrikas und Amerikas noch Nomadenvölker die
so leben. Ich habe vor ihnen die größte Hochachtung und glaube, daß wir
sogenannten Seßhaften viel von ihnen lernen können. Ja, ich glaube, daß dies
solange die vernünftigste Art zu leben ist, wie die Landfläche mit der Zahl der
Menschen harmoniert, was aber heute beinah nirgendwo mehr der Fall ist.
Die
Geschichte lehrt, daß nach der Nomadenzeit die Ackerbaukulturen kamen, die
Arbeitsteilung, die Städte und alles was man Zivilisation nennt und, mit
zunehmendem Abstand zur Natur, die Anmaßung des Menschen, alles außer ihm
ausnutzen und ausplündern zu dürfen. Neben den existentiellen Bedürfnissen
erfanden die Menschen tausend künstliche, die zu befriedigen ihnen jedes Mittel
recht erscheint.
Die
alten herumziehenden Naturvölker hatten es nicht nötig, für ein Stück Land
Verantwortungsgefühl zu entwickeln, einmal war genug davon da, zum anderen fehlten
ihnen die Werkzeuge (und auch der Antrieb) die Erde anders zu behandeln als es
vernünftig war. In der ganzen menschlichen Entwicklungsgeschichte war es daher
nicht nötig, dieses Verantwortungsgefühl zu entwickeln und folgerichtig fehlt
es auch den modernen Menschen, dies ist unser nomadisches Erbe.
Heute,
wo die Menschen wegen ihrer großen Zahl, der Bequemlichkeit und des besseren
Wirtschaften wegens, seßhaft geworden sind (oder es zu sein scheinen) hat sich
zwar unser Konsum und unser Abfall vervielfacht, nicht aber die Fähigkeit für
etwas außer uns, unserer Familie oder unseres Besitzes, Sorge zu tragen. Das
Land (erst recht wenn es uns nicht gehört), das Wasser, die Luft sind uns nur
tote Dinge, die wir für unsere Zwecke gebrauchen. So haben wir es zwar
verstanden, beispielsweise den Ertrag des Landes durch verschiedene Kunstkniffe
zu erhöhen, doch wer begreift den Mutterboden schon wirklich als unser aller
Mutter? Nur die Nachdenklichsten von uns haben begriffen, daß wir ein Teil der
Erde, des Wassers, der Luft sind, untrennbar damit verbunden; daß alles, was
wir unseren Lebensgrundlagen antun letztlich in uns und unseren Kindern landet.
Die Menschen nennen sich heute zwar seßhaft (worauf sie sich viel zugute
halten) übersehen aber, daß selbst der seßhafteste Moderne im Grunde eine neue
Art von Nomade ist, ein hirnloser Raub-Nomade, der grenzenlos einheimst. Er
kauft sich die Waren die er braucht (oder zu brauchen glaubt) von überall, er
grast praktisch Weiden ab, von denen er manchmal nicht einmal weiß, daß es sie
gibt und er verteilt seine giftigen Ausscheidungen über den ganzen Planeten.
Durch diese gigantische und beziehungslose Raub-Nomaderei ist es schier
unmöglich geworden, für die Folgen des Handelns Verantwortung zu tragen, ja nur
ansatzweise für die Feinfühlendsten möglich, die Folgen in etwa zu erahnen.
Dieses Raubnomadentum der modernen Seßhaften muß als das Grundübel unserer Zeit
begriffen werden.
Es
scheint ein menschlicher Grundzug zu sein, nur das zu schätzen und pfleglich zu
behandeln, was einem gehört. Deshalb ist der ganze Welthandel, wo Waren
irrwitzig hin und hergeschoben werden, die Arbeitsteilung immer weiter
getrieben wird, ein tragischer Irrweg. Das Gegenteil davon: regionales
Wirtschaften, Zurückfahren der Arbeitsteilung auf ein vernünftiges Maß, und
individuelle Verantwortung für ein Stück Land - scheinen mir alleine in der
Lage, die Einsicht und das Verantwortungsgefühl der Menschen entwickeln zu
können.- Doch die Menschen sind faul, taub, träge im Denken, kurzsichtig und
alleine an ihrem kurzfristigen Vorteil interessiert. Und hat eine Generation
wirklich einmal durch Schaden etwas begriffen, so wird die nächste es bestimmt
nicht übernehmen. So schaukelt sich die Menschheit immer nur millimeterweise
von der Barbarei weg; trotz der menschlichen Bildsamkeit, des
Einsichtsvermögens und seiner grundsätzlichen Gutmütigkeit.
Die
Aussichten sind trist, alle bedeutenden Entwicklungen gehen in eine üble
Richtung, an deren Ende der Zusammenbruch des Ökosystems stehen muß.