1986 Grundsätzliche
Gedanken über Politik
Ich
verabscheue jegliche Unterdrückung, und der Teufel soll mich holen, wenn ich
einmal anders denken sollte. Ich bin für Gerechtigkeit und Chancengleichheit
und sehe mich zur arbeitenden Klasse gehörig. Dieses Klassenbewusstsein fehlt
den meisten Arbeitern, auch den gewerkschaftlich organisierten Werktätigen, die
überwiegend aus materiellem Vorteilsstreben organisiert sind. Ich weiß das aus
eigener Erfahrung, denn ich war Mitte der siebziger Jahre so eine Art Funktionär
in der GEW und beim DGB-Ortskartell.
Immer
wieder habe ich versucht nichtmaterielle Themen wie Arbeitsqualität,
Entfremdung, Ausbeutung der 3. Welt durch die Industrieländer,
Umweltzerstörung, Atomkraft usw. anzusprechen, immer ohne Erfolg.
Ich
habe immer einen radikaleren Ansatz gehabt, denn was hilft materieller Konsum,
der uns physisch und psychisch abhängig macht und unsere Gesundheit zerstört?
Was ein Leben, das größtenteils von einer sinnlosen Arbeit aufgefressen wird,
die einen zwingt, sein Glück außerhalb von ihr zu suchen und das Leben in
Arbeit und Freizeit teilt?
Wie
soll man eine Wirtschaftsweise rechtfertigen, die sich alleine am materiellen
Quantitativen orientiert und über Leichen geht? Was hilft eine Pseudowohlfahrt
in einer künstlichen Welt, die unserer Natur nicht angepasst ist und ihre
Grundlagen zerstört?
Deswegen
lebe ich heute so anders, als jene, die sich als „links“ bezeichnen. Mit ihnen
lehne ich dieses Gesellschaftssystem ab und träume von einer menschlicheren
Gesellschaft, doch ich gehe weiter und lehne auch diese Zivilisation ab. Nicht
nur die Besitzverhältnisse, sondern die ganze Art zu leben, zu
wohnen, sich zu verhalten, zu konsumieren usw.
Materiell
lebe ich viel bescheidener als es üblicherweise heute Arbeiter tun, ja
vielleicht bescheidener als diejenigen, die allgemein als arm gelten. Dennoch
fehlt es mir an nichts, im Gegenteil bemühe ich mich ständig auf weiteren
überflüssigen Verbrauch zu verzichten, alleine zu meinem Vorteil.
Das
können Arbeiter, Gewerkschaftler, auch linke Grüne nicht verstehen, denn ihnen
geht es darum durch „Klassenkampf“ den materiellen Kuchen anders zu verteilen
und sich selber auch ein größeres Stück davon abzuschneiden. So sind sie, ohne
es zu merken, voll in den verachteten Prinzipien des bekämpften Systems
verfangen. Egal, ob in West oder Ost, es geht überall nur um Konsum.
Und
dann ist da einer, verbal, im Äußeren und seiner Lebensgeschichte eher ein Linker, der zum Konsumverzicht auffordert
und sein Glück in einer materiellen Mäßigkeit sucht. Derartiges hört man sonst
eher nur von der verachtetsten Reaktion.
Doch
ich fordere keine Askese und erst recht keinen Verzicht auf Glück und ich
vertröste niemandem mit einem Glück in einem schimären Jenseits. Im Gegenteil
bin ich eher ein Genießer, der jeden Augenblick seines Lebens mit allen Sinnen
auszukosten sucht. Nur habe ich halt erfahren, daß das Maximum dessen, was an
Sinnlichkeit möglich ist, ein recht niedriges materielles Niveau erfordert,
denn die wirklichen Genüße sind billig oder kostenlos zu haben: Atmen, sich in
der Natur zu bewegen, sich seine Nahrung anzubauen und zuzubereiten, essen,
trinken, schlafen, lieben usw. Ähnliches gilt für die kulturellen Genüsse wie
schreiben, lesen, musizieren, malen, formen, dichten usw.
Diese
Freuden kann jeder genießen und täten dies mehr Menschen, würde sich die Welt
wirklich verändern, radikal.
Kein
Umsturz eines Staatssystems kann da helfen, auch wenn verbesserte
Rahmenbedingungen schon manches fördern und erleichtern könnten. Doch ein Umsturz
der Produktionsverhältnisse läßt die verblendeteten Köpfe wie sie sind und die
Hoffnung, daß sich in einem humaneren Sein einmal ein humaneres Bewußtsein
entwickelt, ist nur in der Theorie richtig, wie sich in existierenden
Großversuchen zeigt.
Zum Artikel "Politiker sollen Auskunft über
Kirch-Honorare geben" vom 2. Januar:
"Zu Recht wurden in jüngster Zeit in der PNP
die Selbstbedienungsmentalität instinktloser Politiker angeprangert. Und doch
sind das alles nur Peanuts gegen die 600 000 DM die Kanzler Kohl und viele
seiner Minister jährlich vom Medienzar Kirch erhielten - neben ihrem Gehalt und
den Abgeordnetendiäten. Genauso unerträglich sind auch die hohen Einkommen aus
Aufsichtsratsposten in Großunternehmen für Politiker, die nur dem Volk
verpflichtet sein sollten. Wenn man dann noch an die illegalen Parteispenden
denkt, wirkt es schon lachhaft, wenn die gierigen Volksvertreter eine
Einflussnahme der Geldgeber auf die Politik ableugnen.
Die sichtbarsten Beweise dafür sind die gigantische Staatsverschuldung, die
nicht unwesentlich durch die hemmungslose Subventionierung der Wirtschaft
entstanden ist und der Umstand, dass auch bei uns die Reichen immer reicher
werden. Dafür beginnt die Armut und die Demütigung zukünftig schon nach einem
Jahr Arbeitslosigkeit, egal wie lange einer zuvor in die - von der
Kohlregierung geplünderten - Sozialkassen eingezahlt hat.
Nachdem die sozialistische Konkurrenz weg ist, braucht man offenbar auch in
Deutschland keine soziale Larve mehr. Die zunehmenden Wahlenthaltungen, weil
man nicht mehr nur zwischen zwei Übeln entscheiden mag, sind ein schlimmes
Alarmzeichen für unsere Demokratie."
LB an PNP zur Amigoaffaire/ nicht abgeschickt
Zuwendungen der Wirtschaft an regierende Politiker schaffen
Abhängigkeiten. Wer dies bestreitet, hält die Menschen zum Narren. Dabei sind
die Gratisreisen und Gratisautos nur die Spitze des Eisberges. Wieviele
Aufsichtsrats- und Vorstandsposten in der Wirtschaft sind mit regierenden
Politikern besetzt? So mancher verdient auf diese Weise mehr als durch sein
Amt. Ich empfinde diese Verfilzungen unerträglich, denn die Interessen von MBB,
Bayernwerk , Grob, BMW usw. sind nicht automatisch die Interessen der Bürger
dieses Landes, schon gar nicht die seiner Natur oder die zukünftiger
Generationen. Eine demokratische Regierung muß sich alleine dem Volk und dessen
Wohl verpflichtet fühlen. Es geht nicht nur darum, daß wir keine
"Bananen-Republik" sein wollen. Ich glaube die Lösung der meisten
Zukunftsprobleme verlangt als ersten Schritt die Trockenlegung dieses Sumpfes.