25.3.11 Fragen und Zweifel

 

Beim Libyen-Krieg beschäftigen mich die immer gleichen Fragen:

Was bewegt Sarkozy, sich an die Spitze des Angriffs gegen Gaddafi zu stellen, mit dem er noch vor wenigen Wochen ein so vertrautes Verhältnis hatte und der ihm offenbar seinen eigenen Wahlkampf finanziert hat? Will er ihn ausschalten, dass dieser keine dunklen Geheimnisse mehr ausplaudern kann? (So wie es die USA mit Saddam Hussein gemacht haben?) Oder ist Sarkozys Angriff nur eine populistische Aktion, mit der er innenpolitisch punkten will, denn seine Beliebtheit ist in letzter Zeit in den Keller abgesackt… Und dann das zeitliche Zusammentreffen mit der nuklearen Katastrophe von Japan ---, ein Zufall? Hat Frankreich, dieser bornierteste Atomstaat der EU, in dem die Atomindustrie mit der Politik aufs Engste verbandelt ist und Nachdenken über die Unverantwortlichkeit, vielleicht gar Widerstand gegen die Atomkraft mehr fürchtet, als alles andere, weil es um ungeheuer viel Geld geht, nicht das größte Interesse mit einem Krieg vom Thema anzulenken?

Oder tu ich Sarkozy Unrecht und er will die Welt wirklich von einem Tyrannen befreien und das libysche Volk schützen? Doch wer sind die Rebellen gegen Gaddafi? Bislang habe ich in den Medien nur immer verschwommene Kriegsbilder und die Luft schießende Halbstarke gesehen, die sogar eine abstürzende eigene Militärmaschine als Abwehrerfolg bejubelten... Sicher, da waren die irren Reden von Gaddafi, deren Inhalt ich nicht nachprüfen kann, dann die Berichte von den blutrünstigen schwarzafrikanischen Söldnern, deren Existenz aber in seriösen Medien auch in Frage gestellt wurde. Sicher scheint, das der Aufstand von Stämmen unterstützt wurde oder wird, die am Ölreichtum des Landes nicht so sehr profitiert haben. Aber ist das wirkliche eine Demokratiebewegung wie in Tunesien oder Ägypten oder ein internes Gerangel um Verteilung der Ölprofite?

 

Dass sich Gaddafi vom einstigen Revolutionär, der sein Land von der kolonialen Ausbeutung befreite, zu einem paranoid wirkenden Despoten entwickelt hat, zeigen uns die Medien täglich aufs Neue. Kein Wort aber darüber, dass Gaddafi 1974 die Öl-Industrie verstaatlicht hat und die Ölkonzerne dies gerne rückgängig machen wollen. Ist es am Ende heute soweit) Wird uns nur ein großes Theater vorgespielt und man ergreift die Chance als Trittbrettfahrer auf der Welle der Unzufriedenheit in der arabischen Welt alles wieder im Sinne der Ölkonzerne zu ordnen?

Dass mit unsauberen Mitteln die Stimmung hochgepuscht wurde, zeigt das weltweit verbreitete Foto von den Opfern des Aufstandes. Tatsächlich zeigt es aber die Opfer eines Gefängnisaufstandes von 1996. Solche Propagandatricks nähren in mir das Gefühl, dass irgendetwas faul ist. Zudem ist diese Welt voller merkwürdiger Despoten. Warum gibt es in der westlichen Welt kaum Kritik, wenn etwa in Bahrain ein König auf sein Volk schießen und sich von der saudischen Armee dabei helfen lässt? Weil die Amis dort einen wichtigen Militärstützpunkt habe? Oder warum dürfen Israelis ungehindert Luftschläge gegen Zivilisten in Gaza durchführen und das Land wie ein Gefängnis absperren? Wo ist da die Empörung der Franzosen, Engländer, Amerikaner? Oder der deutschen Grünen, bei denen etwa Joschka Fischer und Cohn-Bendit wieder einmal dasselbe Gut-Wutmenschen-Schauspiel zeigen, wie 1999, als es um den Kosowo ging, wo sich einige der Kriegsgründe später als Propagandatricks der heutigen Machthaber dort entpuppten. (Etwa die Berichte von jenem Fußballstadium, in denen die Serben ein KZ eingerichtet haben sollten, was sich später als völlig erfunden herausstellte. Aber alleine das Szenario erinnerte an das was, die chilenischen Faschisten mit amerikanischer Hilfe nach dem Putsch gegen Salvadore Allende verbrochen hatten und das löst bei Angehörigen meiner Generation reflexartig Empörung aus, bei einigen sogar Kriegslust...) Aber auch ein Heiner Geissler lässt in seinen Reden wieder durchblicken, dass er seit dem Höhepunkt des kalten Krieges nichts dazugelernt hat, als er als CDU-General behauptete, die Pazifisten seien an Hitler schuld, weil sie keinen Krieg gegen ihn geführt hatten.

 

Ich habe in den letzten Jahrzehnten einfach zuoft erlebt, wie uns gezielte Kriegspropaganda üble Tyrannen zu Dämonen aufgeblasen hat (etwa die erfundenen Babymord-Märchen von Irakern in kuweitischen Kliniken, die schlagartig die Welt empörten und den Golfkrieg rechtfertigten).

 

Wer sich zu Libyen ein vollständigeres Bild verschaffen will, sollte sich auch, etwa bei Wikipedia, über das Land und seine Geschichte informieren. Was Gaddafi auch alles verbrochen haben mag, er hat das Land den Klauen der internationalen Konzerne entrissen und in vierzig Jahren eine sozialpolitische Entwicklung eingeleitet (Schulpflicht, Kranken- und Rentensystem, Fruchtbarmachung der Wüste usw.), die im übrigen Afrika keine Entsprechung hat. Trotzdem mag es dennoch genug Gründe geben, dass eine Rebellion gegen ihn gerechtfertigt ist. Die Öl- und Profitgier der westlichen Konzerne aber ist gewiss nichts, was Libyens Entwicklung nützen wird.