2002 Freihandel und Landflucht

 

Das Geld geht dorthin, wo es am schnellsten Gewinn verspricht, wo es sich am günstigsten produzieren lässt, wo die Löhne niedrig sind, wo es wenig soziale und ökologische Auflagen und Kosten gibt. Der Freihandel will offene Grenzen für den freien Fluss von Waren und Geld, doch nur dafür.

Für Menschen öffnen sich die Grenzen nur, wenn sie Geld haben. Die Armen sollen bleiben wo sie sind. Doch die Landflucht kann niemand aufhalten, beschleunigt wird sie zudem durch Infizierung der Köpfe mit der westlichen Lebensweise. Weg vom Althergebrachten hin zu den modernen Verlockungen. Der Mensch drängt immer vom Minus ins Plus, vom Beschwerlichen zum weniger Beschwerlichen. So verläuft diese Bewegung - hin zum Geld, zu den höheren Löhnen, den besseren Sozialleistungen – beinahe naturgesetzmäßig ab. Und auch die Folgen treffen ebenso ein: Entwurzelung, Verelendung, gigantisch anwachsene Slams, Empörung, Kriege, ökologische Katastrophen…

Das Zusammenwachsen wird aber kommen, so sicher, wie eine Säure sich mit einer Basis verbindet. Doch die gegenseitige Durchdringung und Befruchtung sollte langsam geschehen, ohne erdrutschartige Völkerwanderungen. Das setzt voraus, dass auch in den armen Länder humane Entwicklungen und allgemeine Versorgtheit gefördert werden. 

Die schöne Idee einer friedlich zusammenlebenden Menschheit, von Völkern, die ihr buntes Andersein bewahren und sich doch allesamt den gleichen Grundwerten und Menschenrechten verbunden  fühlen, - von einer sich gleichzeitig vermischenden, multikulturellen Gesellschaft, in der einer den anderen toleriert und sich an der Verschiedenheit erfreut, in der es keine Fremdenfeindlichkeit mehr gibt – ist reizvoll, doch wer meint, dies könne sich in einer überschaubaren Zeit machen lassen, ist ein gefährlicher Träumer.

 

Die Welt ist anders. Die Menschen sind bequem und wenn sie die Wahl haben, wählen sie die bequemere Arbeit, den milderen Landstrich, den größeren Konsum, das gesichertere Leben. Und weil die Welt warme und kalte Zonen hat, steinige und fruchtbare, weil in den Städten die größere Fülle möglich ist, das interessantere Leben- suchen die Menschen das Unerfreuliche zu vermeiden und so streben sie nach dem Erfreulicheren. Sie denken dabei nicht an Übermorgen und nicht an ihre Enkel, ja oft nicht einmal an Morgen, sie sind froh, wenn sie die Gegenwart bewältigen.

Die beschriebene Wanderungsbewegung wäre allein aus ökologischen Gründen eine Katastrophe. Auch aus sozialer Sicht sind Zusammenballungen von Menschen Brutstätten von Konflikten. Völkerverständigung entsteht so auf jeden Fall nicht. Doch auch schon die Angleichung des Konsumverhaltens des volksreichen Südens an die Verschwendungswirtschaft des Nordens, könnte die Biosphäre nicht lange verkraften.