Wer noch den geringsten Zweifel an der Verantwortungslosigkeit der NATO-
Einsatzes im Kososwo hatte, sollte diese nun endgültig verloren haben: Da
wurden Granaten massenhaft eingesetzt, die sogenanntes abgereichertes Uran
enthielten, ohne an die Verstrahlung der Zivilbevölkerung im Kosowo zu denken,
aber ebensowenig an die Gefährdung der eigenen Soldaten. Keine Gefahr, lauten
nun die Reaktionen der Militärs und der Politiker. Doch die Leukämiefälle bei
italienischen, aber auch von Soldaten
anderer NATO-Länder, wie langsam bekannt wird, die mit der Munition und ihren
Folgen im Zielgebiet in Berührung kamen, sprechen eine klare Sprache. Auch
andere Beschwichtigungen entpuppen sich langsam als Propaganda. In Deutschland
seien nie derartige Granaten verwendet worden, hieß es. Doch in Grafenwöhr
wurde sogar das Erdreich abgetragen, dort wo eine Manövergranate eingeschlagen
war. Keine Gefahr also? Bei Ingolstadt sollen ebenfalls derartige Granaten
verwendet worden sein. Beim Absturz eines US-Militärjets soll vor Jahren
ebenfalls die Umgebung verstrahlt worden sein. Und in der Lokalpresse
berichtete der Standortkommandant, daß bei ihrem Kosowoeinsatz das verstrahlte
Zielgebiet gemieden worden war, weil man die Gefahr aus dem Golfkrieg kannte,
wo die Amis ebenfalls derartige Granaten eingesetzt hatten.
Heute löste sich wieder eine der Begründungen für den Koswokrieg, diesen
"Krieg für die Menschlichkeit", in Luft auf. Das kriegsauslösende
Massaker der Serben entpuppte sich als reine Erfindung, vermutlich inszeniert
von albanischen Nationalisten. Schon vor über einem Jahr hatte sich das ZDF
entschuldigt, daß man mit der, soviel Emotionen auslösenden Meldung, das große
Fußballstadium in der albanischen Hauptstadt würde von den Serben als
Konzentrationslager benutzt, einer Propagandameldung aufgesessen sei.. (Mir
klingen immer noch die Ohren von Scharpings "Schrääcklich! Schrääklich!)
Die verbrecherischen Vertreibungen durch die Serben haben wohl stattgefunden.
Doch die große Völkerwanderung der Albaner war auch eine Massenflucht in die
Nähe der (NATO)-Kanonen, wo man bekanntlich am sichersten ist. Und dafür wurden
tausende von Menschen getötet, weite Landstriche zerstört und durch die
Bombardierung chemischer Fabriken verseucht, Kraftwerke und Brücken zerbomt,
und man scheute nicht einmal vor dem Einsatz von radioaktiver Munition zurück.
Doch die serbische Opposition und ihren zivilen Widerstand zuvor wirklich
massiv zu unterstützen (hat man die wochenlangen couragierten
Massendemonstrationen der Belgrader vergessen?) , die Waffe des
Wirtschaftsboykott einzusetzen und die serbischen Nationalisten weltweit zu
isolieren - diese Mittel hätten vor einem Kriegseinsatz wirklich ausgeschöpft
werden müssen. Aus dieser Sicht war der Krieg unverantwortlich und er hat auch
keines der Probleme wirklich gelöst. Die Ablösung von Milosovic
brachten die serbischen Wähler zustande. Nicht wegen der Bomben,
sondern trotz ihnen. Doch vergessen werden die Menschen das Vorgehen der NATO
wohl niemals.
Ein letzter Satz, den ich mir kaum zu schreiben getraue, weil ich keine
Beweise dafür habe und nur mein Gefühl wiedergebe: der Krieg lenkte auch von
den großen Affären und Imageproblemen ab,.Bill Clinton und auch Kanzler Schröder
waren seinerzeit schwer angeschlagen, dort die Sexgeschichte und hier der
abtrünnige Lafontaine. Ich nehme es Fischer, Schröder und Fischer sogar ab, daß
auch wirklich edle Gefühle mitspielten und die Illusion mit Gewalt gegen ein
"Schurkensystem" kämpfen zu müssen (die alte Robin-Hood-Romantik der
68iger..) Und es war auch der Druck aus den USA, wo eine riesige Industrie das
Böse und seine Bekämpfung braucht um überleben zu können. Und es war die
Wiederkehr der sich anbiedernden Linken, die - wie schon 1914 - mit der
Zustimmung zu einem Krieg ihre, von der Opposition immer in Abrede gestellte,
politische Verlässlichkeit beweisen mußten...
Lieber Joschka Fischer!
1984 habe ich Dich im Wolferstätter Keller mit meinen Liedern begleitet,
unser beider Thema war Rüstungswahnsinn und Umweltzerstörung. Nie werde ich
begreifen, wie Du tun kannst, was Du heute tust! Nebenbei- man sieht es Dir an,
wie Du darunter leidest, doch die im Windschatten der Bomben Vertriebenen
leiden noch unendlich mehr.
Wenn nun auch die Angehörigen eines der wenigen Lichtblicke dieses
verrückten Jahrhundert, die "Love- & Peace-Generation", anfängt
Bomben zu schmeißen, dann zerbombt man nicht nur serbische Brücken, Fabriken
und Tanklager (so ein Wahnsinn!). Grün war einmal die Hoffnung auf eine andere
poltische Kultur, doch das kann man wohl heute endgültig vergessen.
Mit Dummheit läßt sich keine Dummheit beseitigen und mit Gewalt keine
Gewalt! Wann wäre jemals ein Problem durch Krieg gelöst worden? Wenn ich die
Nato-Sprüche von "Krieg für die Menschlichkei"t höre, dann wird mir
schlecht, denn Krieg und Menschlichkeit schließen sich aus, immer! Aber Du brauchst
Dir ja nur die Folgen Eueres Tuns anzusehen.
Einer wie Milosovic hält sich nur an der Macht, wenn es ihm gelingt ein
Klima von Angst und äußerer Bedrohung aufrechtzuhalten. Die Bomben der Nato
stabilisieren ihn und versammeln sogar seine schärfste Opposition hinter ihm.
Für einen Diktator gibt es nur einen unerträglichen Nährboden: Frieden!
Überhaupt - diese Welt ist voller willkürlich gezogener, ungerechter
Grenzen und jedes Völkchen will seinen eigenen Schlagbaum und die eigene Fahne
darüber. Wollt Ihr zukünftig jede separatistische und nationalistische Bewegung
mit Bomben unterstützen? Dies in einer Welt, die immer kleiner wird und in der
sich die Völker notwendigerweise immer mehr vermischen, denn freier Geld- und
Warenverkehr bedingt auch freien Menschenverkehr. Ich verfluche zwar die
brutale Globalisierung , die den Wölfen alle Schafweiden der Welt zum Wildern
öffnet und regionale Wirtschaft und Kultur zerstört, doch wer will diesen Trend
aufhalten?
Die Völker Jugoslawiens hätten es der Welt zeigen können wie man
zusammenlebt, schließlich hat es auch fünfzig Jahre lang einigermaßen geklappt.
Hoffentlich ist das jetzige Scheitern kein Fingerzeig für die Unmöglichkeit des
Funktionierens multikultureller Gesellschaften, solange in den Köpfen der
Menschen noch soviel Revier- und Herdendenken steckt und soviel nationale und
religiöse Eiferei.
Wird uns hier am Ende vor Augen geführt, was die Globalisierung am Ende
der ganzen Welt bringt, weil dieser kleidertragende Affe nicht zur Toleranz
fähig ist? Der Karren scheint ziemlich verfahren zu sein und trotzdem gibt es
genug zivile Druckmittel, die im vorliegenden Fall nicht ansatzweise
ausgeschöpft wurden. Wer Menschen aus ihrer Heimat vertreibt, gehört geächtet
und wirtschaftlich ausgehungert. Es muß soweit kommen, daß Verbrecher
gegen die Menschlichkeit international verfolgt werden und ihre Gelder
eingezogen werden. Wir brauchen schleunigst einen wirksamen internationalen
Gerichtshof und einen handlungsfähigen Weltsicherheitsrat, der demokratisch
funktioniert und dem sich auch die Großmächte unterwerfen müssen. Doch diese
denken da überhaupt nicht dran, denn an ihrem Streben nach Vorherrschaft und
wirtschaftlichen Vorteilen hat sich nichts geändert.