1985 Übers Fernsehen

Wer hat nicht schon vom Fernsehen einen interessanten Gedanken in den Kopf zu bekommen, der dann aber durch die nachfolgenden Sendungen wieder entführt wurde.

Ich habe schon sehr viel ferngesehen, sehr viel Mist zwar, aber durchaus auch gute Filme. Die ganze Kunst besteht nur darin, den Apparat nur gezielt einzuschalten und ihn nicht, wenn er mal läuft, bis zum Sendeschluß anzulassen. Gewiß, manchmal hilft einem das langweilige Programm abzuschalten, doch eine zunehmende Zahl von Sendern - wir haben neben den drei Deutschen noch zwei Österreicher und einen Schweitzer - läßt einen zuleicht nur umschalten.

 

Ich habe schon wiederholt versucht, mir das Fernsehen gänzlich abzugewöhnen, da hatte ich es mit dem Rauchen  leichter. Es bleibt ein riesiges Loch, in dem man herumirrt und wovor man sich fürchtet. Selbst so elementares wie Essen und Trinken, verliert, über lange Jahre mit Fernsehen konditioniert, gewaltig an Reiz.

Nun bin ich noch ein vergleichsweise beschäftigter Mensch, der gerne malt und komponiert, liest und sich in der Natur bewegt. Doch immer mag man das alles nicht, was haben nur die Leute früher in dieser Zeit gemacht? Da ich in den ersten zwanzig Lebensjahren ohne Fernsehen aufgewachsen bin, weiß ich es zwar noch schwach - wir haben viel gelesen, Radio gehört, sind ins Kino gegangen und ins Wirtshaus.

Es erschreckt mich, wenn ich mich heute so im Verwandtenkreis umsehe und - vor allem die Männer - das ganze Wochenende vor der Glotze hocken sehe, jeden sportlichen Krampf betrachtend. Doch die meisten von ihnen haben nur ihren Beruf, keine Tätigkeit, die sie in der Freizeit wirklich beschäftigt. Ohne den elektrischen Zeiträuber fühlen sie sich mit ihrem Pulsschlag allein gelassen. Ihre Endlichkeit dämmert ihnen mit einem Male, Sinnfragen tauchen auf und wollen verdrängt werden, und dann ist da diese Ruhelosigkeit, dieses Gefühl des Alleinseins, das sie rastlos macht, es ist das Ich, mit dem man so wenig anzufangen weiß.

 

Fernsehen ist für das Augenwesen Mensch, das von Natur aus gerne beobachtet, vor allem andere Artgenossen, das Mittel der Wahl, es ermöglicht, wie eine Piepshow das versteckte Beobachten. Schlimm ist halt das Einwegsehen, das zur Passivität verdammt sein, die fehlende Eingebundenheit in das was abläuft. Man lebt ein Leben aus zweiter Hand, man läßt andere die Bilder aussuchen, die man sieht, man läßt andere die Worte ausdenken, die man denkt.

Fernsehen ist gefährlich, es klaut den Menschen ihre besten Stunden. Verzicht darauf, wäre wohl die beste Lösung solange man nicht die Kraft hat, es nur gelegentlich stundenweise an Regentagen oder langen Winterabenden einzusetzen.

Doch obwohl ich das alles weiß, auch ich lasse mich immer wieder fangen und elektrisch zum Narren machen. Das einzige, was mir helfen kann, ist eine Umgebung ohne Stromanschluss und viele Freunde zum ratschen...