Ich hab mein Heu im Schober

Opus 473/ 1996

 

Das Leben in unseren Breiten war immer von der Vor­sorge für den Winter bestimmt. Heute haben die mei­sten Menschen keine Vorräte, denn alles gibt es auf den Märkten zu jeder Jahreszeit zu kaufen. Noch nie­mals zuvor haben Menschen ihr Schicksal so vollstän­dig in fremde Hände gelegt. Manche nennen das Frei­heit, doch ist Abhängigkeit und Ausgeliefertsein nicht das Gegenteil davon?

 

Ich hab mein Heu im Schober,

hab s Brennholz unter Dach,

das Korn ist aufgeschüttet,

die Äpfel gärn im Faß.

 

Die Kartoffeln ruhn im Keller,

es hängt der Zwiebelzopf,

der Holler ist im Glas,

der Honig ist im Topf.

 

Rote und gelbe Rüben

liegen unterm Sand,

die Nüsse sind getrocknet,

fülln das Säckchen bis zum Rand.

 

Und die Minze, die Kamille,

viele Kräutlein trocknen still,

an den Haken in der Stube,

wilder Dost, Knoblauch und Dill.

 

Hab das Weißkraut fein gehobelt,

eingesalzen, eingeschwert,

unterm Glas da reift der Käse,

halb hab ich ihn schon verzehrt.

 

Und das Lamm ruht in der Truhe,

steifgefroren, das ist arg,

es ist mir blökend nachgelaufen,

nun ist´s im Elektrosarg.

 

Und drei Säcke voller Wolle,

die den Schafen ich geraubt,

werd ich spinnen, wenn ich Zeit hab,

ach, mein Spinnrad ist verstaubt!

 

Und im Kopf verwahr ich Bilder,

voller Sonne, voller Blühn,

allein die Schwielen an den Händen

zeugen von vergangnen Mühn.