Die Globalisierungsfalle:
Die 20:80 Gesellschaft - tittytainment

 

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Literatur: Hans Peter Martin und Harald Schuman: Die Golbalisierunmgsfalle - Der Angriff auf Demokratie und Wohlstand, Rohwolt, Reinbeck 1996

 

 

Heere von Arbeitslosen werden eine Selbstverständlichkeit sein, so eine Prognose des "global Braintrust"

 

Der neue "globale Braintrust" mit 500 führenden Politikern, Wirtschaftsführern und Wissenschaftlern aus allen Kontinenten versammelte sich am 27. September 1995 in San Francisco zu einer Konferenz, um den Weg ins 21. Jahrhundert zu weisen. Alle Anwesenden waren sich darin einig, dass ungeahnte Heere von Arbeitslosen eine Selbstverständlichkeit sein werden und die Pragmatiker in der Runde verkürzten diese Aussicht auf zwei Begriffe "20 zu 80" und "tittytainment".
"20 Prozent der arbeitsfähigen Bevölkerung würden im kommenden Jahrhundert ausreichen, um die Weltwirtschaft in Schwung zu halten. ... Ein Fünftel aller Arbeitssuchenden werde genügen, um alle Waren zu produzieren und die hochwertigen Dienstleistungen zu erbringen ..." (S. 12).

 

 

 

Die ganze Welt als riesiger Markt

 

Der Ausdruck "tittytainment" macht die Runde: "Mit einer Mischung aus betäubender Unterhaltung und ausreichender Ernährung (tittis) könne die frustierte Bevölkerung der Welt schon bei Laune gehalten werden" (S 13).
In der Folge einige Argumente und Prognosen, die erstens schon zum Nachdenken und zweitens vielleicht auch zur Lektüre des Buches von Hans-Peter Martin und Haral Schuman führen sollen. Die von den Ökonomen und Politikern gegebenen Erklärungen für diese Entwicklung gipfeln alle in dem Wort:
Globalisierung. High-Tech-Kommunikation, niedrige Transportkosten und grenzenloser Freihandel lassen die ganze Welt zu einem einzigen Markt verschmelzen. "Der Wettbewerbswind ist zum Sturm geworden, und der richtige Orkan steht uns noch bevor", so Heinrich von Pierer, der Siemens-Chef. Er und andere wollen mit ihrer Wortwahl vom Globalismus glauben machen, bei alledem handele es sich um einen gleichsam naturgegebenen Prozess, dem man nicht entgehen kann.

 

 

 

"Staatsausgaben kürzen, Löhne senken und Sozialleistungen streichen...."

 

Die angepriesenen Lösungen (gewissermaßen von Schweden über Österreich bis Spanien) lauten daher: "Staatsausgaben kürzen, Löhne senken und Sozialleistungen streichen." ..." Jedenfallls werden in den Industrieländern schon bald wieder Menschen fast zum Nulltarif die Straßen sauberhalten oder als Haushaltshilfen kärglichen Unterschlupf finden ...", so weitere Vorhersagen (S 13). Die FAZ schreibt dazu: "Die westliche Anspruchsgesellschaft kollidiert mit ehrgeizigen asiatischen Verzichtsgesellschaften." ... "Sinnstiftung und Integration erwarten die Diskutanten vom weiten Feld der freiwilligen Gemeinschaftsdienste, bei der Nachbarschaftshilfe, im Sportbetrieb oder in Vereinen aller Art."
Und kommt Protest in den Gewerkschaften und unter den ArbeitnehmerInnen auf, so endet er in Resignation und Frust. "In einer globalen Zangenbewegung hebt die neue Internationale des Kapitals ganze Staaten und deren bisherige gesellschaftliche Ordnung aus den Angeln". Die Demokratie sitzt in der Falle (S 16f), wird prognostiziert.

 


Tittytainment, nein danke!

Ende September 1995 trafen sich auf Einladung Michail Gorbatschows in San Francisco 500 führende Politiker, Wirtschaftsführer und Wissenschaftler aus aller Welt. Der globale Braintrust soll den Weg ins 21.Jahrhundert weisen, unterwegs zu einer neuen Zivilsation. Wer nun erwartet, dass dort das Ende der weltweiten Armut und Wohlstand für alle prophezeit wurde, der irrt leider.

20 Prozent der arbeitsfähigen Bevökerung würden im kommenden Jahrhundert ausreichen, um die Weltwirtschaft in Schwung zu halten. [...] Ein Fünftel aller Arbeitssuchenden werde genügen, um alle Waren zu produzieren und die hochwertigen Dienstleistungen zu erbringen, die sich die Weltgesellschaft leisten könne. Diese 20 Prozent werden damit aktiv am Leben, Verdienen und Konsumieren teilnehmen - egal, in welchem Land. Das eine oder andere Prozent, so räumen die diskutanten ein, mag noch hinzukommen, etwa durch wohlhabende Erben. [...] In Fairmont wird eine neue Gesellschaftsordnung skizziert: reiche Länder ohne nennenswerten Mittelstand - und niemand widerspricht.

Vielmehr macht der Ausdruck tittytainment Karriere, den der alte Haudegen Zbigniew Brzezinski ins Spiel bringt. [...] Mit einer Mischung aus betäubender Unterhaltung und ausreichender Ernährung könne die frustrierte Bevölkerung der Welt schon bei Laune gehalten werden.

Nüchtern diskutieren die Manager die möglichen Dosierungen, überlegen, wie denn das wohlhabende Fünfte den überflüssigen Rest beschäftigen könne. Soziales Engaement der Unternehmen sei beim globalen Wettbewerbsdruck unzumutbar, um die Arbeitslosen müßten sich andere kümmern. Sinnstiftung und Integration erwarten sich sich die Diskutanten vom weiten Feld der freiwilligen Gemeinschaftsdienste, bei der Nachbarschaftshilfe, im Sportbetrieb oder in Vereinen aller Art. [...] Jedenfalls werden in den Industrieländern schon bald wieder Menschen fast zum Nulltarif die Straßen sauberhalten oder als Haushaltshilfen kärglichen Unterschlupf finden, erwarten die Konzernlenker.

Quelle: S.12f., Hans-Peter Martin, Harald Schumann, Die Globalisierungsfalle, Rowohlt Verlag, 1996

Die Römer nannten tittytainment Brot und Spiele und versuchten dadurch die Massen ruhig zu stellen. Das nur mal nebenbei, aber dieser Begriff war wohl nicht mehr zeitgemäß vor 10 Jahren. Durchaus zeitgemäß erscheint die Privatisierung des staatlichen Eigentums, das rein theoretisch allen Bürgern gehört, und nun aufgrund der organisierten Unverantwortlichkeit der Eliten, ob nun in Konzernen oder in den Regierungen, fröhlich versilbert wird und am Ende gar in den weltweiten Steueroasen wiederzufinden sein könnte. Daneben wird in aller Ruhe ein Sicherheitsinstrumentarium aufgebaut, Notstandsgesetze klammheimlich verschärft, schleichend Bürgerrechte und Pressefreiheit seitens Wirtschaft und Politik untergraben und das soziale Netz peu á peu ruiniert. Angeblich um die verängstigte Mehrheit vor einer terroristischen oder sozialschmarotzenden Minderheit zu schützen. Das obige Zitat legt den Schluss nahe, dass es wohl eher umgekehrt sein könnte und hier eher eine moderne Version von Hans-Christian Andersen Märchens Des Kaisers neue Kleider inszeniert wird.

Wobei der Mehrheit empfohlen sei, die Rolle des Kindes zu übernehmen, das im Märchen ruft: Aber er hat ja gar nichts an!

Einer der kritischen Ökonomen Amerikas, Ethan Kapstein, Direktor des Washingtoner Council on Foreign Relations, formulierte, um wieviel es in Wahrheit geht: "Die Welt", so schrieb Kapstein im Mai 1996, "steuert unerbittlich auf einen dieser tragischen Momente zu, der künftige Historiker fragen lassen wird, warum wurde nicht rechtzeitig etwas unternommen. Haben die wirtschaftlichen und politischen Eliten nicht bemerkt, zu welch tiefgreifenden Verwerfungen der ökonomische und technische Wandel führte? Und was hat sie davon abgehalten, die notwendigen Schritte zu unternehmen, um eine globale Sozialkrise zu verhindern?"

Für den Bürger des alten Kontinents bedeutet das, sie müssen entscheiden, welche der beiden mächtigen Strömungen des europäischen Erbes die Zukunft gestalten wird: die demokratische, die auf das Paris des Jahres 1789 zurückgeht, oder die totalitäre, die im Berlin des Jahres 1933 siegte. Den Ausgang bestimmen wir, die Wähler und bisher noch mehrheitlich demokratisch gesinnten Bürger. Wenn wir den Markt-Utopisten, die der Neuen Rechten den Weg bahnen, nicht länger das Gesetz des Handelns überlassen, wird es sich zeigen: Europa kann es besser!

Quelle: S.328f., Hans-Peter Martin, Harald Schumann, Die Globalisierungsfalle, Rowohlt Verlag, 1996

Kann es Europa wirklich besser? Zweifel sind angesagt. Das innerhalb der EU stattfindende Rat Race der einzelnen Regierungen um Standortvorteile durch Subventionen und niedrige Steuersätze schadet allen EU-Bürgern und schlägt auch weltweit negativ zu Buche. Zwar haben Franzosen und Niederländer die europäische Verfassung neoliberalen und militaristischen Inhalts mit einem Nein zunächst gestoppt, aber der Umgang mit den Flüchtlingen aus Afrika, ob nun in Lampedusa, Ceuta oder Melilla spricht eine andere Sprache. Hier werden Menschenrechte verletzt, hier wird Europa zur Festung. So ist die Berliner Mauer gefallen, aber nur um an anderen Orten schmähliche Wiederauferstehung zu feiern. Anstatt endlich mal sinnvolle Entwicklungshilfe zu leisten, wird immer noch lieber in Rüstung investiert, um die Folgen einer kaum vorhandenen Entwicklungspolitik, einer verfehlten Wirtschaftspolitik und den Raubbau transnationaler Konzerne weltweit in den militärischen Griff zu bekommen. Dabei weiß jeder: Gewalt erzeugt Gewalt. Und es muss nicht einmal physische Gewalt sein, es reicht wirtschaftlicher, politischer oder sozialer Druck vollkommen aus, um Widerstand hervorzurufen.

Der Terrorismus und die damit durch Sicherheitsgesetze immer stärker untergrabene Freiheit in den Demokratien ist ein Ausdruck der globalen Sozialkrise und deshalb kann man durchaus behaupten: Nicht nur der Terrorismus, sondern auch der Irakkrieg ist Bestandteil der tittytainment-Welt.

Denn um einer Minderheit Rohstoffe zu sichern, wurden die Weltöffentlichkeit belogen und bisher 255 Milliarden vom amerikanischen Volk abgezogen, denn soviel hat der Krieg bisher gekostet. Weitere 55 Milliarden wurden gerade durch den Senat gebilligt.

Aber weder das amerikanische noch das irakische Volk gewinnen dadurch und doch gibt es Profiteure: Konzerne und andere Verbrecher, denen es gelang, Menschen zu Betrug, Gewalttaten und Morden zu animieren. Wirklich hässlich, völkerrechtswidrig und weder aus dem christlichen noch muslimischen Glauben zu rechtfertigen! Der frühere UN-Waffeninspekteur Scott Ritter hat aus ähnlichen Gründen US-Präsident George W. Bush und den britischen Premierminister Tony Blairr offen als Kriegsverbrecher bezeichnet.

Da waren die römischen Brot und Spiele vergleichsweise harmloser. Und statt an Nero orientiert sich der Mensch doch lieber an Gandhi, der sagte:

Die Welt hat genug für jedermanns Bedürfnisse, aber nicht für jedermanns Gier.

... um das zu erreichen, braucht es weltweit viele kleine und große Gandhis. Denn einer reichte nicht mehr.