Die Legalisierung der Folter hat in den USA System

sz, 16.2.07

München - Amerikanische Rechtsexperten halten sich in der Debatte um die Folter in Guantanamo nicht mit Euphemismen wie "außergwöhnliche Verhörmethoden" auf. Die Untersuchung der bürokratischen Wege zur de facto Legalisierung der Folter in US-Militärgefängnissen wie Abu Ghraib und Guantanamo, die das Center for Law and Security der New York University vor eineinhalb Jahren erstmals veröffentlichte und seither weiterführt, trug den Titel "The Torture Papers" - die Folterakten.

Die Untersuchung zeigte, dass die fortgesetzten Misshandlungen keineswegs Missetaten einzelner Soldaten waren, die in der Hitze des Gefechts über die Stränge schlagen. Akribisch wies das Juristenteam nach, wie der Weg zur legalen Folter nur vierzehn Tage nach den Anschlägen vom 11. September 2001 mit einem Memorandum begann, das der Beauftragte des Justizministeriums, John Yoo, an den stellvertretenden Rechtsberater des Präsidenten, Timothy Flanigan, schrieb. Darin definierte er die Befugnis des Präsidenten, Vergeltung gegen Personen, Organisationen und Staaten zu üben, die Terroranschläge verübten, als Verfassungsrecht.

Das Memorandum zog eine Kettenreaktion von Memoranden, Verordnungen und Richtlinien nach sich, die sich bis heute durch die Rechtsgeschichte der Vereinigten Staaten zieht. Mit juristischer Finesse sorgten Justizministerium und Pentagon dafür, dass die Genfer Konvention für Gefangene im Krieg gegen den Terror keine Anwendung finden. Schon im Januar wies Verteidigungsminister Donald Rumsfeld den Befehlshaber seiner Streitkräfte an, Gefangene der al-Qaida und Taliban nicht als Kriegsgefangene zu betrachten. Im Dezember des selben Jahres genehmigte das Pentagon den Einsatz von Techniken wie dem Scheinertränken und dem Zwang, bis zu vier Stunden in unbequemen Haltungen zu verharren. Legendär ist inzwischen Rumsfelds handschriftliche Anmerkung, warum das Verharren denn auf vier Stunden beschränkt sei, er selbst stehe wegen eines Rückenleidens bis zu zehn Stunden an einem Schreibpult.

Die "Torture Papers" und die Bilder aus Abu Ghraib, die der Journalist Seymour Hersh an die Öffentlichkeit brachte, ebneten den Weg für erste Untersuchungsausschüsse. Als die Aufdeckung sogenannter außerordentlicher Auslieferungen von Gefangenen in Drittländer mit Folterpraxis publik wurde, zog die Empörung weltweite Kreise.

Die Entscheidung des Präsidenten, dass auch Aussagen, die unter Umständen durch Folter erzwungen wurden, für das Todesurteil eines Militärtribunals gelten können, sind ein neuer Höhepunkt in dieser Reihe der Entscheidungen. Die Gefahr ist damit nicht mehr nur, dass der Einsatz von Folter den amerikanischen Rechtsstaat aushöhlt. Experten von Geheimdiensten, die ganz offen mit Folter experimentierten, kamen immer wieder zu dem Schluss, dass erzwungene Geständnisse nur selten Wahrheitsgehalt haben. Andrian Kreye