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"Was ich nicht singen konnte!" Bilder und Text: Helmut Josef Geiss

Optische Analogien eines bayerischen Barden

Stadlwand

Eine alte Stadlwand, wenn die reden könnte! Wieviele Plakate waren an ihr schon angeschlagen! Sie haben zum Tanz geladen, zum Theater, zu Sportveranstaltungen, zu politischen Versammlungen, zum Schafkopfturnier, zur Teenagerparty, zum Zirkus –- Die Zeit, die größte alle Bildhauerinnen, zusammen mit ihrem großen Pinsel, dem Wetter, hat das Holz gefärbt und strukturiert, so schön, wie es unsereiner  niemals fertigbrächte. Die alten Bretter sind wie Gesichter, in die sich das Leben eingegraben hat. Heute gibt es kaum mehr alte Stadl, denn heute baut man uniforme, hässliche "Bergehallen" aus Beton für die teueren Schlepper als Garage. Und falls doch irgendwo Holz verwendet wird, dann wird es mit Gift und Farbe gaggalgelb "behandelt", damit es ja nicht silbergrau wird. Aber in einer Zeit, in der alles Fassadenhafte, Aufgemotzte, Furnierte verehrt wird, wie weiland das Goldene Kalb, kann es wohl auch nicht anders sein. Was für eine Verarmung, was für ein Irrtum, was für eine Geschmacklosigkeit! Doch noch hat unsere immer synthetischer werdende Welt  reizvolle Winkel und Ansichten. Mach die Augen auf!

(wurde am 17.2.15 im Straubinger Tagblatt abgedruckt)