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15.03.23 „Was mich nicht umbringt, macht mich stärker!“

„Was mich nicht umbringt, macht mich stärker!“ das ist wohl Nietzsches bekanntester Satz, doch ist er wahr? Auch ich gebrauche den Satz gelegentlich, wenn ich mit meiner Zähigkeit angeben will, aber immer mit einem Augenzwinkern. In sportlicher Hinsicht mag extreme Belastung nach langem Training zuvor nicht schaden, aber sonst? Wen hätte je große Not und Lebensgefahr stärker gemacht? Im Gegenteil werden Tier und Mensch durch Qualen und Traumata oft auf Dauer verängstigt und gebrochen. Und auch Nietzsches geistige Umnachtung nach seinen geistigen Höhenflügen hat seinen Körper zwar zehn Jahre nicht umgebracht, aber auch auf keinen Fall stärker gemacht. 

Über meine Beziehung zu Nietzsche gibt es auf YouTube einen längeren Monolog, den ich in diesem Beitrag auch verlinke. Was mich dazu motiviert hat? Nun, in meinen vierziger Jahren lag Nietzsche zehn Jahre lang auf meinem Nachtisch, er hatte mich in seinen Bann geschlagen, auch wenn ich vieles nicht verstand und vieles ablehnte. Anderes dagegen, wie sein Vorschlag als Ersatz für ein Morgengebet: man solle beim Aufwachen überlegen, wen man an diesem Tag eine Freude machen kann. Oder sein Spruch „Friede um mich und Freude an den nächsten Dingen“, den ich für mich in „die nahen Dinge“ umgewandelte. Lange habe ich mich an Nietzsches Rehabilitation des Egoismus gerieben, doch ist das vielleicht eine seiner größten Taten, denn die Selbsterhaltung ist die stärkste Kraft bei allem was lebt. Den Egoismus zuzulassen bedeutet nicht, zu einem durchgeknallten Reichtumshorter und Menschenbescheißer zu werden. Erfreulich wäre es, wenn sich beim Selbsterhalten bei uns Menschen die alte instinktive Bremse der Natur wieder aktivieren ließe, die einen mit dem jeweils Nötigen zufrieden sein lässt.

Unsere heutige Ponyhofkultur hat hier einiges maßlos übertrieben und geradezu zu pseudosozialem Irresein geführt. Nicht der Nächste steht im Fokus (vielleicht weil man ihn zu gut kennt oder zu kennen glaubt), nein, man schenkt seine Freundlichkeit lieber dem Übernächsten, dem Nichterreichbaren, ob belebt oder gar nur reinen gedanklichen Konstrukten. So ist niemand durch Ideologien, Wissenschaftschimären oder Religionen so verführbar wie jene, die sich als die Guten begreifen.

Auch Nietzsches Spruch vom Staat, als dem Kältesten aller kalten Ungeheuer, den er Zarathustra in den Mund legte, fand ich, der freisinnige Sozialist, als Blasphemie, denn der gute und gerechte Staat war mir ja immer die Hoffnung gegen die Raserei des Kapitals und der Barbarei.

Irgendwann erkannte ich aber, dass die verkommenen Mächte es irgendwie geschafft haben, den Staat für sich zum Werkzeug zu machen, ja, haben dies sogar bei Staaten geschafft, die sich die Gegnerschaft zum Kapital und Gerechtigkeit für alle auf die Fahnen geschrieben hatten. Erst entschuldigte ich den traurigen und inhumanen Zustand dieser Staaten mit den Umständen, Startproblemen und Bedrängnis von außen, doch heute bin ich mir sicher, dass jeder Staat zu diesem kalten Ungeheuer wird, vielleicht sogar dafür geschaffen wurde.

Die heutigen Staaten sind für ihre unmittelbaren Profiteure zum Selbstzweck geworden, getrieben von eine Bürokratie, die wie eine Krake mit ihren Fangarmen alles umfängt und mit nie versiegender Regelungswut sich selbst erhält und aufbläht und alles Gesunde infiziert oder zum eigenen Nutzen dienstbar macht. Und die über sie eigentlich wachenden Regierungen? Sie haben keine Chance wirklich etwas zu verändern, denn sie sind von dem Moloch abhängig. Zudem kommt auch keine Regierung an die Macht, die sich nicht von der Wirtschaft und der Bankenmacht hat finanzieren lassen. Verkürzt ausgedrückt haben die Regierenden nur die Aufgabe Schulden zu machen und das ganze Land immer weiter in Zinsknechtschaft zu bringen.

Podcasts:

Was mich nicht umbringt...      Monolog mit Friedrich Nietzsche