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22.05.17 Mit seiner Sprache verliert ein Land sein Wichtigstes

Leserbrief an den BayerwaldbotenRegen zu den Berichten über das "Schnowewetzn" (eine kulturelle Veranstaltungsreihe mit dem Thema bayerische Mundart)

 

"Deutet es schon auf eine schöne „Leich“ hin, wenn sich Wissenschaftler und Mundart-Archäologen einer Sprache annehmen? Sicher ist, dass eine lebendige Sprache niemanden braucht, der sie fördert und unterstützt. Doch wenn in der Landeshauptstadt nur noch 2 Prozent der Kinder die Landessprache beherrschen, dann ist das Kind schon in den Brunnen gefallen und es ist kein Trost, wenn gleichzeitig die Zahl der Lederhosen und Dirndl proportional zunehmen.

 

Käme ein Besucher von einem fremden Stern nach Bayern, wüsste er nicht, wo er gelandet ist: fast zu hundert Prozent von der Landessprache befreites Musikgesäusel aus allen Lautsprechern, schreiendes Denglish von Plakatwänden usw. Doch mit seiner Sprache verliert ein Land sein Herz und den Mörtel, der es zusammenhält, es wird kulturell „entkernt“, da kann man die Fassaden noch so reichlich mit volkstümlichen Attributen tapezieren. Dass wir nicht längst bei den Gesellschaften für gefährdete Völker und Sprachen einen Spitzenplatz einnehmen, liegt an unserer Begeisterung und dem Gleichmut, mit dem wir alles geschehen lassen. Nicht wenige halten das sogar für modern oder Fortschritt, ich sehe heute darin eine Art langsame Rückgraterweichung, die sich zum Kopf hin ausbreitet.

Aber globalisierter Kommerz umgibt uns von morgens bis abends und umfängt uns wie eine Käseglocke, Regionalität hat da keinen Platz mehr. Heute kann es dir sogar passieren, dass du als in Mundart dichtender Barde sogar in eine rechte Ecke gerückt wirst, nur weil du das Normalste auf der Welt machst: in deiner Muttersprache zu singen. Dabei ist regionales Denken das Gegenteil von allem Großdeutschen und Imperialen. Ich sags mal überspitzt: Unsere "Kolonialherrn", Preussen und Amis, haben gründlich gearbeitet! Die einen haben Bayern für ein paar Märchenschlösser bekommen und die anderen haben unsere Hirnwindungen mit Hollywoodmärchen, braunem Krachal und letschadn Hackfleischsemmeln besetzt. Und ein paar Feinfühlige spüren unserer alten Sprache nach und versuchen ein Gefühl für ihren Verlust zu wecken. Deshalb Respekt für alle Schnowewetzer!"