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17.03.17 Lob der Faulheit

zu Tod den Schmarotzern! , Kommentar zu dem Lukaschenko zugeschriebenen Satz

Noch immer werden Leistung und Fleiß gepriesen und Faulheit verdammt. Es gäbe kein Recht auf Faulheit, sagte der Kanzler (Schröder), um den Beifall der Stammtische und der Wirtschaft heischend. Doch geringschätzig über die Faulheit zu reden, das darf man nicht durchgehen lassen, denn wohin Arbeitswut die Welt gebracht hat, kann jeder sehen. Zudem lästert man damit die Natur, das biologische System, das sich als einziges auf die Dauer als erfolgreich erwiesen hat. Jeder kann sich davon selber überzeugen - Tiere sind faul, zumindest wenn man fressen, schlafen, sich fortpflanzen usw. nicht als Arbeit einstuft. (An Bienen und Ameisen mag ich mir kein Beispiel nehmen, die stehen verwandtschaftlich doch zu fern), Säuger zumindest tun von sich aus nichts, ohne dass sie dazu ein Bedürfnis antreibt oder eine instinktive Vorgabe. Was nicht heißt, dass sie nicht gelegentlich auch aus reiner Freude an der Bewegung herumtollen und spielerisch jene Fähigkeiten trainieren, die sie ein anderes Mal zum Überleben brauchen. Doch keinem Tier würde es einfallen, sich für Geld zu verkaufen, sich die schönste Zeit stehlen zu lassen, sich über das für das Leben Nötige hinaus abzumühen. Nie würden sie ohne Joch und Peitsche einen Wagen ziehen oder fremdbestimmte, entfremdete Arbeit leisten. Und der Mensch, der bekanntlich aus demselben Holz geschnitzt ist wie die Tiere, steht ihnen im Punkt Faulheit nicht nach. Ist nicht alle seine Anstrengung und Kunst nur der Versuch sich in eine Position zu bringen, in der man sich Faulenzen unbeschadeter leisten kann?
Viele unserer besten Köpfe haben der Faulheit das Wort geredet, weder Sokrates, Epikur und erst recht nicht Diogenes haben sich „einen Haxen ausgerissen“ (wie der Volksmund drastisch zu eifriges Arbeiten nennt). Der Nazarener hat die Lilien auf dem Felde und die Vögel des Himmels gelobt, die sich darauf verlassen, dass sie der liebe Gott nicht verhungern lässt und Buddha hat lieber meditiert als zu schwitzen und mit ihm unzählige fromme Männer. Vermutlich wird das negative Image des Faulseins von denen gepflegt, die von den Fleißigen leben und diese brauchen um selber faul sein zu können.

aus: Reimlose Gedanken, 2003

 

17.03.17 Lob des Tätigseins

zu Tod den Schmarotzern! und wichtige Fussnote zu „Lob der Faulheit“

Es ist nicht ohne Ironie, dass dieser Text, der die Faulheit lobt, von einem „rastlos Tätigen“ geschrieben wurde. Aber in hellen Momenten, hält man halt kurz inne und denkt, „eigentlich bin ich irre“. Einen dieser hellen Momente hat Gerhard Schröder ausgelöst, der Kanzler der Konzerne, als er unübertroffen zynisch gegen die Faulheit gewettert hat. Wir brauchen also nicht in Weißrussland nach mietmäuligen Zynikern zu suchen, wir haben ja Schröder, den Sozialsystemzerstörer, den Angriffskrieger, den ferngesteuerten Demagogen, der für die kleinen Leute die Peitsche schwang und den Reichen Zucker in den Hintern blies.
Aber zum eigentlichen Thema Arbeit, es gibt ja bekanntlich zwei Arten davon: die Gute, die uns frei und zum stolzen Menschen macht, die unsere Bedürfnisse direkt befriedigt und - damit konditioniert - selber lebenslang zum Bedürfnis wird und die uns jedes Parasitentum bemitleiden und verachten lässt. Und es gibt die Lohnarbeit, mit der wir uns prostituieren und zur Ware machen, die entfremdete Arbeit also, die ja immer auch Zwangsarbeit ist, in der wir nichts bestimmen dürfen und der wir uns aussetzen müssen, um in der heutigen Zeit leben und überleben zu können.

Im verwandten TP-Forum „Industrie 4.0“ wurde zum Thema ja schon einiges Vernünftige angemerkt. Auch in der Rationalgalerie gab es vor wenigen Tagen einen wirklich guten Artikel „Das Tittytainment-Programm“, den man in diesem Zusammenhang lesen sollte.

Man macht uns mit Automatisierung weiter überflüssig (Thinktanks der Reichen behaupten, dass man eigentlich nicht einmal die Hälfte der Menschheit für Lohnarbeit braucht) und zerstört damit auch das von uns Lohnsklaven finanzierte Sozialsystem, weil die Produktivität der Automaten nicht in die Taschen der Vielen und ihrer Sozialsysteme fließt, sondern privatisiert wird.
Ich sehe deshalb nur zwei Auswege: Die Sozialsysteme müssen von der Gesamtproduktivität erhalten werden und nicht wie heute, von einem kleiner werdenden Klientel. Und die verbleibende Arbeit muss auf alle verteilt werden, was eben dann die heutige Lohnarbeitszeit massiv verringert. Wer auf vollen Lohnausgleich hofft, ist ein Träumer. Die gerechte Verteilung von Arbeit kann nur funktionieren, wenn die gewonnene Lebenszeit wieder für die Selbstversorgung im weiteren Sinn genützt wird und die heute an die Gesellschaft abgeschobene Tätigkeiten wieder dorthin zurückgebracht werden, wo sie hingehören, zu den Menschen und ihr familiäres Umfeld.